Auf Augenhöhe? Ein demokratisches System auf dem Prüfstand

Ein Kommentar von Camilla Hildebrandt, Autorin 1bis19

Lesedauer 3 Minuten

Die demokratisch gewählten Abgeordneten sind „Vertreter des Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, Grundgesetz, Artikel 38. Von ihnen wird erwartet, dass sie die Interessen der gesamten Bevölkerung im Parlament vertreten.

Eine schöne Vorstellung. Auf Augenhöhe mit dem Volk waren unsere Vertreter jedoch vermutlich nie. Seit Jahren wird angemahnt, dass der Kontakt zur Basis immer deutlicher schwindet. Aktuell scheinen unsere Vertreter an der Regierung und auch in der Opposition jedoch in ihrer Politiker-Blase zu verschwinden, die mit unserem Leben kaum noch etwas zu tun hat.

Entfremdung

Die Corona-Krise hat die Entfremdung zwischen Volksvertretern und Bevölkerung deutlich zu Tage gebracht und gravierend verstärkt.
Die Kanzlerin entscheidet seit Monaten weitestgehend alleine oder in Beratung mit den Ministerpräsidenten der Länder. Bereits Anfang 2020 wurde gefordert, politische Entscheidungen zum Wohle des gesamten Volkes mit einem heterogenen Expertengremium aus allen Bereichen der Gesellschaft zu treffen. Keine Reaktion.

Hedonistisch-asoziale Kritiker

Forderungen, die Maßnahmen evidenzbasiert zu entscheiden, wurden mit Abmahnungen quittiert, Kritiker unter anderem als Rechtsradikale, hedonistisch-asozial diffamiert, kritische Wissenschaftler auf inhaltslose Posten versetzt. Die Expertenrunde zur Beratung der Kanzlerin wurde immer kleiner. Zum sogenannten Corona-Impfgipfel, waren in der Folge nur noch Experten geladen, welche die Meinung der Regierung vertraten. Mahnungen über die absehbaren und aktuell bereits katastrophalen sozialen, wirtschaftlichen, psychischen Schäden, welche der nicht endende Lockdown verursacht, wurden von Anfang an ignoriert.

Eine mittelalterliche Maßnahme

Der Lockdown und die Idee ein Virus bekämpfen zu können, indem die Gesellschaft weggeschlossen wird, wurde von Ethikprofessor Christoph Lütge als mittelalterliche Maßnahme bezeichnet. Damit könne man zwar, so Lütge, mit einem Schlag ein paar Mücken töten, aber vor allem zerstöre man damit vieles andere. Professor Lütge wurde wegen seiner kritischen Haltung zu den Corona-Maßnahmen aus dem bayerischen Ethikrat entlassen. Denn seine wiederholten öffentlichen Äußerungen, so die bayerische Staatskanzlei, seien mit der verantwortungsvollen Arbeit des Ethikrates nicht in Einklang zu bringen. Ein Ethikprofessor wurde aus dem Ethikrat entlassen, weil er ethisches Verhalten anmahnt? Lütge: „Was ich als Ethiker beklage, ist die Einseitigkeit, das Fokussieren auf einen einzigen Aspekt. Ethik ist dafür da, zu reklamieren, dass man verhältnismäßig vorgeht, eine Verhältnismäßigkeit der unterschiedlichen Aspekte eines Phänomens. Das bedeutet auch zu überlegen: gibt es ein weniger hartes Mittel, das weniger Folgeschäden produziert, als der Lockdown.“

Panikgesteuerte Politik

Unser demokratisches System gerät durch die aktuelle Politik aus den Fugen und bereitet Anlass zu großer Sorge um eben jene demokratischen Werte, die uns bis dato heilig waren. Anstatt auf Aufklärung und sachliche Information zu setzen, auf mündige, verantwortungsvolle, freie Bürger, werden immer mehr Restriktionen beschlossen, Verbote deklariert, und Zahlen in den Raum gestellt, die nicht eingeordnet werden, sondern vielmehr Panik verbreiten.
Durch den Lockdown zerstören wir unsere Gesellschaft, von der sich ein Teil in einer Art Angst-Schockstarre befindet, wie es ein Pfarrer aus Brandenburg über seine Region berichtet.
Das Ergebnis des PCR-Tests ist immer noch die Grundlage für alle Maßnahmen, obwohl die WHO bestätigt hat, dass der Test allein keine Auskunft über die Erkrankung eines Menschen geben kann. Er kann damit gerade nicht alleinige Grundlage für die Einschätzung der Virus-Gefahr für unsere Gesellschaft sein. Dennoch wird diese Bemessungsgrundlage von nahezu allen Medien jeden Tag hoch und runter gebetet.
Die Forderung vieler Experten, einen Weg mit dem Virus zu finden, wird immer weiter ignoriert. Eine solche Anpassung aber war vor Covid-19 der Normalfall bei fast allen Erregern. Er umfasst einen effektiven Risikogruppenschutz, ebenso die Versorgung von Pflegern, Ärzten und der Gesellschaft mit Hygienemaßnahmen.

Volksvertreter?

Unser bestehendes politisches System wird durch das Verhalten der Mehrheit der Volksvertreter in Frage gestellt. Sie kommunizieren nicht auf Augenhöhe mit denen, die sie vertreten. Ihr Handeln scheint geleitet von anderen Interessen, als das derer, die sie vertreten. Sie entscheiden über eine Bevölkerung, deren Forderungen und Existenzängste sie nicht anhören, deren Wissenschaftler sie nicht zu Wort kommen lassen, deren Empfehlungen für eine ausgewogene, evidenzbasierte Politik in Krisenzeiten sie missachten.

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