Überlegungen zum Danach

Kommentar von Camilla Hildebrandt

Lesedauer 2 Minuten

Aus gesellschaftlicher Perspektive stelle ich mir seit Monaten folgende Frage: wie wird es nach Beendigung der „Epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ mit unserer Gesellschaft weitergehen?

Werden wir nahtlos da weitermachen, wo es im Februar 2020 begann?

Wie wird der Polizist, der qua seines Amtes und der Verfügung durch die Regierung Privatwohnungen kontrolliert, Gastronomen und Unternehmer, die ihrer Arbeit nachkommen wollten, mit horrenden Geldstrafen belegt hat, Masken-Verweigerer verfolgt und abgeführt hat, Grill-Nachmittage mit Waffengewalt aufgelöst hat in den Spiegel schauen? Der Nachbar, der die Zahl der Menschen im Nebenhaus minutiös gezählt, für strafbar erachtet und angezeigt hat? Der Politiker, der es in Kauf genommen hat, dass Millionen Kinder massive psychologische Schäden durch den endlosen Lockdown erlitten haben?  Journalisten, die Masken-Kritiker als potentielle Mörder bezeichnet, sich dafür ausgesprochen haben Impf-Kritiker zu ächten?

Werden wir alle als Gesellschaft sagen: Nun ist alles wieder gut, Schwamm drüber, lass uns zusammenkommen, das Leben feiern? Werden die Millionen Demonstranten, die auf der Straße ihr Grundrecht ausgeübt haben und gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierten, dafür aber als rechtsradikal und verantwortungslos diffamiert wurden und in der Folge unter anderem ihren Job verloren sagen: Lass es gut sein, es war eben die Corona-Zeit. Werden die Ärzte, die vermeintlich falsche Atteste ausstellten und dafür von der Staatsanwaltschaft aufgesucht wurden wieder Vertrauen in ihre Mitmenschen, in uns als Gesellschaft haben? Die Epidemiologen, Virologen, Ethiker, die für ihre kritische Haltung in einer Demokratie ihres Amtes enthoben, strafversetzt oder gekündigt wurden? Lehrer und Schüler, die der Schule verwiesen wurden, weil sie keinen Sinn in einem prophylaktischen Test zweimal die Woche sahen? Journalisten, die staatlich überwacht wurden, weil sie eine kritische Meinung vertraten?

Wird alles einfach so weitergehen wie vorher?

Werden die Volksvertreter sagen: Tut mir leid, dass wir aktuell (Stand: April 2021) hunderte Milliarden Staatsschulden, Millionen Arbeitslose, Tausende insolvente Klein- und Mittelunternehmer, eine zerstörte Generation Kleinkinder und Jugendliche haben. Tut mir leid, dass wir die Epidemische Lage von nationaler Tragweite aktuell ohne Evidenz aufrechterhalten haben, aber es war nicht anders möglich, und ich stelle mich jetzt erneut zur Wahl?

Wie haben wir das nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht?
Weggeschaut.
Jahrzehntelang.
Niemand will diesen Vergleich hören, denn niemand darf etwas mit dieser Zeit vergleichen.
Aber wir haben damals weggeschaut, sehr lange.
Dann wurde aufgearbeitet und daraus gelernt.
Das meinen wir heute.

Delegationen aus Ländern wie Kolumbien kamen zu uns, um sich anzuschauen, wie großartig die Deutschen ihre Geschichte aufgearbeitet haben, um es eventuell ähnlich zu tun.

Wie werden wir es „nach Corona“ – eine Zeit, von der niemand weiß wann es sein wird, wie sie gestaltet werden kann – machen? Werden wir so tun, als ob es „nur“ ein nicht enden wollender Lockdown war, „nur“ Künstler, die ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden, „nur“ alarmierend zunehmende intrafamiliäre Gewalt, „nur“ ein drastischer Anstieg von Suiziden bei Erwachsenen und Kindern, „nur“ eine Generation von Kindern, die mit der Sendung mit der Maus und in der Schule gelernt haben, dass Querdenker und Menschen ohne Maske ihr Leben gefährden, „nur“ Jugendliche, die ihre beste Zeit nicht erleben konnten, nur eine wissentlich ruinierte Wirtschaft, „nur“ Politiker, die unsere demokratischen Werte mit Füßen getreten haben?  

Wir müssen jetzt anfangen.
Wir müssen in der Politik, in den Medien, in der Nachbarschaft, in den Schulen, in den Kitas, in der Straßenbahn das friedliche Miteinander wieder üben, jeden Tag. Ein Leben ohne Moral-Keule, Denunziation, Schuldzuweisung. Ein Leben mit Toleranz, Integration, Wertschätzung, Akzeptanz unterschiedlicher Meinungen, ein Leben in Demokratie, mit mündigen Bürgern und Eigenverantwortung.

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