Gastkommentar von Dr. Christian Steidl
Lesedauer 5 Minuten„Wir haben keine Coronakrise, sondern eine Maßnahmenkrise!“, sagt der Zahnarzt Dr. Georg Kustermann aus Kolbermoor in einem YouTube-Video vom 24. April, das Aufsehen erregte. Hat es die Pandemie möglicherweise nicht gegeben? War sie nur eine Massenpsychose? Die diplomatische Antwort lautet: „das kommt darauf an“. Es kommt nämlich darauf an, wie man „Pandemie“ definiert. Und es ist zu klären, ob eine andere Pandemiedefinition sinnvoller wäre.
Eine Pandemie gilt heute als eine weltweite Ausbreitung einer Krankheit mit hohen Infektionszahlen. Bis zum 4. Mai 2009 gab es in der Pandemiedefinition der WHO den Zusatz, dass die Infektion mit „einer enormen Anzahl von Todes- und Krankheitsfällen“ verbunden sein muss. Im Mai 2009 strich die WHO diesen Zusatz, denn sie hatte die vergleichsweise harmlose Schweinegrippe zur „Pandemie“ ausgerufen und sah sich der Kritik ausgesetzt, dass der Schweinegrippevirus H1N1 nicht die Pandemiedefinition erfüllt.
Spötter fragten, ob die WHO demnächst auch einen neuen Schnupfen zur Pandemie erklären wolle. Richard Schabas, einstmals Gesundheitschef der kanadischen Provinz Ontario: „Manchmal denken einige von uns, WHO steht für Welt-Hysterie-Organisation“. 2010 lachte man noch über solche Aussagen. Das Lachen bleibt einem mittlerweile im Halse stecken. Zum 10-jährigen Jubiläum der Schweinegrippe-Hysterie titelte die Pharmazeutische Zeitung am 11. Juni 2019: „Nach der Pandemie ist vor der Pandemie“.
Angesichts der aktuellen Pandemiedefinition wäre die These des Zahnarztes Dr. Kustermann also widerlegt. Nimmt man aber die Definition, die bis zum 4. Mai 2009 galt, wäre die Sars-CoV-2 Infektionswelle mit einer Letalitätsrate von rund 0,2 %, von der primär alte Menschen mit mehrfachen Vorerkrankungen betroffen sind, keine Pandemie. Bereits im Mai 2020 reichte Prof. John Ioannidis von der Universität Stanford die Ergebnisse seiner Meta-Analyse zahlreicher Corona-Studien ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine Letalitätsrate („infection fatality rate“, IFR) von 0,27 % errechnet. Die WHO fand das Thema wohl nachrangig und hat sich beim Peer Review ordentlich Zeit gelassen. Währenddessen ließ Prof. Ioannidis weitere Studien in seine Meta-Analyse einfließen und korrigierte die Letalitätsrate auf 0,23 % herunter. Oktober 2020 wurde die Studie schließlich im „Bulletin of the World Health Organization“ publiziert. Teilweise wurde in deutschen Medien darüber sogar objektiv berichtet, z.B. in der Berliner Zeitung. Der österreichische „Standard“ framte die von der WHO publizierte Studie als „umstritten“. An der Pandemie-Einstufung durch die WHO und die Bundesregierung änderte das nichts. Im Januar 2021 hatte Prof. Ioannidis weitere Studien in seine Auswertung einbezogen und die Letalitätsrate erneut runtergestuft auf 0,15 %. Diese Publikation wurde im März 2021 im European Journal of Clinical Investigation veröffentlicht.
Welche Pandemiedefinition ergibt mehr Sinn?
Die entscheidende Frage ist nun, mit welchen Kriterien man bewerten kann, welche Pandemiedefinition sinnvoll ist. Dazu sollte man wissen, dass eine virale Erkrankung mit grippeähnlichen Symptomen und einer Letalitätsrate von rund 0,2 % zwar für ein Coronavirus ungewöhnlich hoch ist, aber im Vergleich zu normalen Grippeviren nur im oberen Bereich der normalen Schwankungsbreite liegt. Die Wiener Zeitung verglich am 5. März 2020 die Grippe („Influenza“) mit Covid-19 und schrieb: „Bei den jährlich stark schwankenden Grippewellen wird die Sterberate zwischen 0,1 und 0,2 Prozent angegeben.“ Die WHO bezifferte die Letalitätsrate von Covid-19 zu diesem Zeitpunkt mit 0,7 %. Dennoch war man in Deutschland noch im Beschwichtigungsmodus und Bayern wartete die Kommunalwahl am 15. März ab, um anschließend den Lockdown einzuleiten.
Das heißt, ein Grippevirus mit einer ähnlichen Gefährlichkeit wie Covid-19 macht bei uns im Durchschnitt alle drei Jahre die Runde. Berücksichtigt man gleichzeitig die Aussage des RKI-Chefs Prof. Wieler in der WELT vom 30.4.2021, die Covid-19-Pandemie werde uns noch bis Ende 2022 begleiten, bedeutet dies: Pandemie für immer!
Ist die Pandemie das „neue Normal“?
Wenn mit der aktuellen Pandemiedefinition die Pandemie zum Dauerzustand wird, heißt das, dass wir schon immer in einer Pandemie lebten, das aber nicht wussten, weil wir entweder die PCR-Technik noch nicht kannten, bzw. diese nicht exzessiv für die Virendetektion nutzten. Fühlten wir uns nur gesund und waren in Wirklichkeit krank? Aus diesen Überlegungen leiten sich die Fragen ab: Machen wir aktuell etwas falsch oder war es in der Vergangenheit falsch, dass wir keinen Abstand gehalten, keine Masken getragen und uns mit mehr als drei Freunden gleichzeitig getroffen haben?
„Präventionsparadox“ ist Notlüge der Lockdown-Fetischisten
Oder ist das Sars-CoV-2 doch extrem gefährlich und die Katastrophe nur durch das beherzte Eingreifen der Ministerpräsidentenrunde abgewendet worden? „Wir haben zwar keinen Gesundheitsnotstand, aber wir standen kurz davor und nur die Maskenpflicht und der Lockdown haben uns vor einer Überlastung des Gesundheitssystems gerettet“, erklären uns einige Freunde der Ausgangssperre. Durch das Abstandhalten und das Herunterfahren der sozialen Kontakte sei die Grippe ausgerottet worden und das Coronavirus so weit in Schach gehalten worden, dass die Krankenhausbetten doch ausgereicht haben. Man kann diesen Menschen dann stundenlang von den Kontrollgruppen Schweden, Florida, Taiwan, South Carolina u.a. erzählen, aber solange ARD und ZDF übereinstimmend die gleiche These verkünden, beißt man mit diesen Argumenten auf Granit.
Pandemie-Notbremse erst ab Inzidenz 400
„Man muss die Menschen so nehmen, wie sie sind“, sagte Konrad Adenauer. Viele sind noch im Corona-Pandemie-Panik-Modus und wollen sich nicht eingestehen, dass sie bewusst in Angst versetzt worden sind und daher ihren Nachbarn, der sich „illegal“ mit Freunden traf, zu Unrecht bei der Polizei verpetzt haben. Und die meisten Politiker wollen erst recht keine Fehlentscheidung zugeben. So geht es den Franzosen auch und sie haben sich daher für eine Kompromisslinie entschieden: „Ja, es ist eine Pandemie, aber bei einem Inzidenzwert von unter 400 ist sie nicht so schlimm und wir können die Geschäfte und Restaurants öffnen. Bei uns tritt die Notbremse ab einer PCR-Inzidenz von 100 in Kraft. Der Wert ist willkürlich von der Politik festgelegt und hat nichts mit Infektionserkrankungen zu tun. „PCR“ scheint hier nicht für „Polymerase Chain Reaction“ zu stehen, sondern für „Political Correctness Responsiveness“.
Recht haben versus Recht bekommen
„Du hast Recht, aber Du bekommst nicht Recht“, sagen meine Freunde oft und plädieren dafür, umstrittene Thesen wie „Es gab und gibt keine Corona-Pandemie.“ nicht öffentlich zu vertreten. Dadurch rutsche man in die Kategorie „Verschwörungstheoretiker“ und dann höre einem niemand mehr zu – weder verängstigte Bürger noch ratlose Bundestagsabgeordnete. Wir Naturwissenschaftler haben eher lineare Kommunikationsstrategien: Fakten analysieren und dann publizieren. Daher ist es wichtig, dass Naturwissenschaftler und Mediziner mit Kommunikationswissenschaftlern, Psychologen, Soziologen, Politologen und Juristen zusammenwirken, um die Menschen behutsam wieder an die Realität heranzuführen. Nur zusammen schaffen wir das!
Wir werden einander viel verzeihen müssen
Bereits vor über einem Jahr, Ende April 2020, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag: „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen.“ Diese Vorahnung hat sich bestätigt. Vor allem wird er sehr viele Menschen um Verzeihung bitten müssen. Als Katholik bin ich der Meinung, dass unser Zusammenleben nur gelingen kann, wenn wir einander verzeihen. Wir sollten unserem Nachbarn verzeihen, der die Polizei angerufen hat, weil wir trotz Kontaktverbot drei Freunde zu Besuch hatten. Der Nachbar war nicht nur Täter, sondern auch ein Opfer der vom Bundesinnenministerium gezielt geschürten Pandemie-Panik. Wichtig beim gesellschaftlichen Neustart nach der offiziellen Aufhebung der „pandemischen Lage von nationaler Tragweite“ wird auch sein, dass die Täter Reue zeigen. Jesus verzieh zwar, sagte aber auch zu den Sündern: „Gehe hin und sündige von nun an nicht mehr.“ Und nicht, „mach weiter so“.
Es muss ein Ruck durch unser Land gehen
Wenn ein Staat Unrecht begeht, gibt es Menschen, die dafür verantwortlich sind. Es wäre also wichtig zu wissen, wer das erwähnte Szenarienpapier des Bundesinnenministeriums zu Covid-19 in Auftrag gab, wer es schrieb und wer es umsetzte. Der „Club der klaren Worte“ hat mit dieser Analyse begonnen. Neben den Drahtziehern gibt es Mittäter und schweigende Mitläufer. Und es gibt Leute, die Widerstand leisten. Bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts stand das „Verzeihen“ im Mittelpunkt und viele SED-Funktionäre machten auch in der Bundesrepublik Deutschland beruflich und politisch Karriere. Nur wenige zeigten Reue. Die Opfer des SED-Unrechts hatten schlechtere Startchancen in der BRD und ihr erlittenes Unrecht wurde nicht angemessen kompensiert. Aus diesen Fehlern sollten wir lernen und dafür sorgen, dass die Drahtzieher der Lockdowns zur Verantwortung gezogen, die verhöhnten „Verschwörungstheoretiker“ rehabilitiert und die Lockdown-Opfer entschädigt werden.
Gastbeiträge geben die Meinung des Autors/der Autorin wieder.
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