Sachbuch: «Die hypnotisierte Gesellschaft (2021)»

Eine kritische Rezension von Eugen Zentner

Lesedauer 4 Minuten

Seit der Corona-Krise steht der Rechtsstaat auf dem Kopf. Was früher ein Grundrecht war, wird heute als Privileg verstanden. Galt Freiheit vor knapp zwei Jahren noch als von Natur aus gegeben, muss man sie mittlerweile per Impfung erwerben. Die Demokratie verwandelt sich schrittweise in ein totalitäres System, und einem Großteil der Bevölkerung fällt es noch immer schwer, das zu erkennen. Er wirkt wie hypnotisiert. Die Journalistin Miryam Muhm findet das wenig überraschend. „Hypnose ist ein reales Phänomen“, schreibt sie im Klappentext zu ihrem neuen Buch. Es werde auf vielen Gebieten angewendet. Welche das sind, führt die Autorin in mehreren Kapiteln aus, indem sie einen großen Bogen von der Schulmedizin bis zu Politik, Medien und Werbung schlägt.

«Die hypnotisierte Gesellschaft», so der Titel des knapp 260-seitigen Werkes, erweist sich als eine kritische Auseinandersetzung mit den manipulativen Praktiken mächtiger Institutionen, die im Sinne ihrer Partikularinteressen die Individuen beeinflussen. Dabei bedienen sie sich wirksamer Hypnosetechniken. Diese mögen in der Medizin Vorteile mit sich bringen, lautet eine These – in den sozialen Bereichen richten sie jedoch einen großen Schaden an. Eigenständiges Denken werde eingeschränkt, das Urteilsvermögen beeinträchtigt. Am effektivsten ließe sich das durch ständiges Wiederholen von Worten und Konzepten erreichen, durch Verwirrung oder die gezielte Verbreitung von Halbwahrheiten und Lügen. Wer die Ereignisse rund um die Pandemie aufmerksam verfolgt hat, dürfte diese Mechanismen gut kennen.

Umgehung der Kontrollinstanzen im Gehirn

In ihrer Analyse geht Muhm teilweise zurück in die Zeit vor Corona und bezieht die Auftritte Barack Obamas genauso ein wie die politischen Querelen im Zuge des Brexit. Sie greift den Cum-Ex-Skandal auf, beschäftigt sich mit der Energiewende, zieht aber auch ganz aktuelle Ereignisse heran, um zu zeigen, inwieweit Politik und Leitmedien die Bevölkerung lenken. Recht schnell fällt dabei auf, dass sich die Ausführungen weniger auf Hypnose, also den psychischen Zustand, als auf die Hypnotisierung konzentrieren – die ausführende Manipulation mittels unterschiedlicher Techniken. Was sie bewirken, ist „eine Umgehung der Kontrollinstanzen in unserem Cortex“, schreibt Muhm, „also im stammesgeschichtlich jüngsten und am höchsten entwickelten Teil unseres Gehirns“.

Um die Bürger unauffällig und ohne großen Aufwand zu bestimmten Handlungen zu bewegen, bediene sich die Politik der Verhaltenswissenschaften. Sie wisse somit, welche psychologischen Effekte sich einstellen, wenn ganz bestimmte Techniken zum Einsatz kommen. Eines der beliebtesten sei die Reizüberflutung: „Wir werden von so vielen Nachrichten und Informationen überflutet, dass Fakten leicht in Vergessenheit geraten, obwohl uns eigentlich gerade solche Geschehnisse im Gedächtnis bleiben müssten.“ Deshalb falle es Politikern so leicht, mit immer neuen Lügen davonzukommen. Die Autorin veranschaulicht das anhand zahlreicher Wahlversprechen, die anschließend gebrochen wurden, was aber ohne jede Konsequenzen geblieben sei.

Einseitige Berichterstattung

Dass die Entscheidungsträger in der Politik so glimpflich davonkommen, liege laut Muhm an der Rückendeckung der Leitmedien, die dazu neigen, „den Rahmen und die Agenda der Eliten zu übernehmen“. Abweichende Meinungen würden hingegen ignoriert oder delegitimiert, wie die Berichterstattung während der Corona-Krise bewiesen habe: „Den Zuschauern und Lesern wurden nur die von offizieller, das heißt politischer und behördlicher Seite anerkannten Meinungen und Studien präsentiert, während über anderslautende, ebenfalls wissenschaftlich fundierte Meinungen und Studien kaum oder nur negativ berichtet wurde.“ Den größten Mangel im heutigen Journalismus sieht die Autorin darin, dass die Leitmedien kaum noch recherchieren und Hintergrundinformationen liefern. Statt Einordnung herrsche in den Redaktionen Stimmungsmache vor. Derzeit zeige sich dies besonders eklatant, wie „Geimpfte gegen Ungeimpfte regelrecht aufgehetzt werden“.

In Muhms Ausführungen schwingt sehr viel Herrschaftskritik mit, was dazu führt, dass die Autorin hier und da von ihrem Thema abschweift. Anstatt sich detaillierter mit Hypnose zu beschäftigen und zu belegen, inwiefern die angewendeten Techniken den Bewusstseinszustand verändern, beleuchtet sie die manipulativen Mechanismen in den jeweiligen sozialen Bereichen. Dieser Impetus ließe sich bis in korrumpierte Strukturen der Universitätsbetriebe verfolgen, wo Pharmafirmen wachsenden Einfluss gewonnen hätten,  sei doch, „Seit Langem ….. bekannt, dass es die evidenzbasierte Medizin kaum noch gibt, da die Resultate vieler Studien über Medikamente und medizinische Apparate zugunsten ihrer Sponsoren, das heißt der Pharmaindustrie, manipuliert werden.“

Mutiges und hochaktuelles Werk

Am Ende des Buches löst sich der Fokus vollends auf. Es geht um die Gefahren der Künstlichen Intelligenz, um algorithmischen Aktienhandel und autonomes Fahren, um Transhumanismus und schließlich um Spiritualität, die als probate Möglichkeit angepriesen wird, sich der Hypnotisierung zu entziehen. Um ihre Argumente zu untermauern, stützt sich die Autorin auf Umfragen, wissenschaftliche Monographien, Sachbücher, aber auch auf Artikel aus den Leitmedien, was irritierend wirkt, weil sie ihnen zugleich Manipulation unterstellt und die Glaubwürdigkeit abspricht. Gleiches gilt für Studien, die einerseits als Beleg für die eigenen Aussagen herangezogen, andererseits als politisches Instrument diverser Interessensgruppen abgewertet werden.

Trotz dieser Schwächen erweist sich «Die hypnotisierte Gesellschaft» als ein mutiges wie hochaktuelles Buch, das die Fehlentwicklungen unserer Zeit anspricht. Es verweist auf die Gefahren und regt zum Nachdenken darüber an, wie wir als Gesellschaft weiterleben wollen. Wenn Manipulation zur Normalität werde, mahnt Muhm, verliere Wahrheit ihre Bedeutung. Sie sei jedoch das Fundament des demokratischen Gedankenguts. Insofern trügen politische Täuschung und eine einseitige Berichterstattung dazu bei, dass sich dieses Fundament allmählich pulverisiere: „Diese schleichende Erosion der Demokratie tritt gerade während der Corona-Krise immer deutlicher zutage, denn zahlreiche gesundheitspolitische und freiheitseinschränkende Entscheidungen der Regierenden waren und sind fragwürdig.“

»Die hypnotisierte Gesellschaft – Wie unser Denken von Politik, Medien und Werbung gelenkt wird« von Miryam Muhm, 320 Seiten Klappenbroschur, Europaverlag, Berlin-München-Wien-Zürich 2021
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