Eine Rezension von Eugen Zentner
Lesedauer 3 MinutenWir erinnern uns: Am 15. März letzten Jahres trat die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal in Kraft und sorgte in der ganzen Branche für Aufruhr. Obwohl sie Ende 2022 stillschweigend auslief, waren die vorherigen knapp neun Monate eine Leidenszeit für alle, die sich gegen die Spritze entschieden hatten. Sie mussten nicht nur Schikanen und Freistellungen über sich ergehen lassen, sondern lebten ständig in der Angst, ihren geliebten Beruf zu verlieren. Die Schicksale sind vielfältig und herzergreifend. Ein neuer Band bildet sie in ihrer ganzen Breite ab, indem er 320 Betroffene zu Wort kommen und über ihre damaligen Sorgen sprechen lässt.
Unter dem schillernden Titel «Die Corona-Impfpflicht ist das falsche Instrument» präsentiert sich das Buch als zeitgeschichtliches Dokument, das den eindringlichen Appell sendet, die Ereignisse aufzuarbeiten und das Unrecht zu sühnen. Als Herausgeber fungiert Tristan Nolting von dem Verein Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V. (ÄFI). Dieser hatte bereits im Dezember 2021 sowohl auf der eigenen Webseite als auch auf Twitter Beschäftigte im Gesundheitswesen dazu aufgerufen, angesichts des drohenden Berufsverbots ihre Geschichten zu schildern. Die Zahl der Zusendungen soll bei über 1.000 gelegen haben. Die aussagekräftigsten wurden schließlich im Buch zusammengetragen. Es liefere, heißt es gleich zu Beginn, „einen Einblick in das große Unrecht der Diskriminierung dieser Menschen, die für eine weitaus größere Gruppe stehen, als sie hier festgehalten ist“.
Kein Vertrauen mehr in den Staat
Bei der Gliederung des Buches orientierte sich der Verein an fünf Fragen. Die erste lautet: „Welche Hinweise finden wir zum beruflichen und staatsbürgerlichen Selbstverständnis der Schreibenden?“ Die Antworten lassen aufhorchen. In Ihnen kommt deutlich der Verlust des Vertrauens gegenüber dem Staat zum Ausdruck. Die Betroffenen fühlen sich „bedroht“, spüren eine gewisse „Unsicherheit und vollkommene Verzweiflung“ oder empfinden die Verordnungen und Gesetze als „latent totalitär“. Eine weitere Frage lautet, wie die Betroffenen die einrichtungsbezogene Impfpflicht beurteilen. Für einige ist deren Relevanz nicht nachvollziehbar, andere geben zu verstehen, dass sie sich von der Impfung nicht unbedingt mehr Schutz erhoffen.
Nach diesem Muster trägt das Buch die Ergebnisse zusammen. Besonders interessant wird es an Stellen, wo die Betroffenen persönliche Gründe für ihre Ablehnung ins Feld führen. „Da ich als Kind 2x auf Impfungen reagiert habe (hätte fast an die Dialyse gemusst, schleichende Kinderlähmung) habe ich Angst vor der Impfung“, lautet etwa eine besonders eindringliche Aussage, die verdeutlicht, dass die Impfung für manche Menschen eine ernsthafte Gefahr darstellt. Eine andere Betroffene unterstreicht das: „Ich leide an Multipler Sklerose. Da ich mich selbst erfolgreich naturheilkundlich behandele, wird mein Immunsystem nicht supprimiert. Jede Impfung kann bei mir mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Schub auslösen.“
Depressionen und Todesängste
Andere Personen schildern hingegen, wie die ständige Angst vor dem Arbeitsplatzverlust das eigene Gefühlsleben ins Wanken bringt und psychosomatische Symptome zeitigt: „Zur Zeit (sic) leide ich an Depressionen und Todesängsten wegen der Impfung“, so ein Statement. „Ich habe Magenschmerzen und einen starken Druck auf der Brust und merke, das (sic) ich vor lauter Panik nicht mehr denkfähig bin und nicht weiß, in welche Richtung ich gehen kann.“ Ähnliche Gefühle macht eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie durch, die von „schlaflosen Nächten“ schreibt. Eine Logopädin bezeichnet sich selbst als „psychisch sehr mitgenommen“, während eine Hebamme ihrem Ärger hemmungslos Luft macht: „es reicht mir! Ich werde dieses kranke und verlogene System nicht mehr unterstützen.“
Dass der Verein den Betroffenen eine Stimme gibt, hängt mit seinem Selbstverständnis zusammen: „Wir betrachten Schutzimpfungen grundsätzlich als einen Bestandteil ärztlicher Fürsorge“, heißt es im Vorwort zum Buch. „Seit 2006 engagieren wir uns für den Erhalt einer freien, individuellen und verantwortungsvollen Impfentscheidung nach einer differenzierten, umfassenden und ergebnisoffenen Beratung. In jedem Einzelfall ist abzuwägen zwischen den Risiken der jeweiligen Erkrankung und dem mit der Impfung verbundenen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Eine Impfpflicht, ob für alle oder für bestimmte Personengruppen, lehnen wir daher vehement ab.“
In Einleitungsworten kommt zum Vorschein, wie erschrocken die Vereinsmitglieder über die Entwicklung in Deutschland sind. Beschrieben werden unter anderem die Veränderungen des Klimas in Politik und Gesundheitswesen, wo man individuelle, gesundheitliche Entscheidung zunehmend an moralische Kategorien koppele und sie mit ethischen Zuschreibungen auflade: „Wer christlich handelt, lässt sich impfen, wer solidarisch handelt, lässt sich impfen usw.“ Die Gesellschaft liege in Scherben, so der Tenor, und der Weg der Annäherung werde steinig und schmerzhaft. Die Bereitschaft zu Entschuldigung und Verzeihung spiele dabei eine Entscheidende Rolle. Nicht weniger wichtig sei es, dass die Gesellschaft erkenne, welche Gefahr von einem solchen Gesetz wie der Impfpflicht ausgehe, das Politiker im Namen der Wissenschaft installiert hätten. Es darf, lautet die Botschaft, „nie wieder zustande kommen“.
“Die Corona-Impfpflicht ist das falsche Instrument” Hrsg. von Tristan Nolting,
296 Seiten, Softcover, Verlag Tredition, Ahrensburg 2023, 13 EUR