eine Rezension von Eugen Zentner
Lesedauer 4 MinutenZwei Jahre lang mussten die Bürger mit teilweise sehr harten Corona-Maßnahmen leben. Begründet wurden sie immer wieder damit, dass die Regierung so eine Überlastung des Gesundheitssystems vermeiden wolle. Dazu ist es bekanntlich nie gekommen, unabhängig davon ob eine vermeintliche Welle anzurollen drohte oder nicht. Dafür ließ sich etwas anderes feststellen: Korruption, Veruntreuung von Steuergeldern und organisierte Kriminalität. Das behaupten der Datenanalyst Tom Lausen und der Publizist Walter van Rossum in ihrem Buch «Die Intensiv-Mafia», in dem sie den „gigantischen Raubzug gegen Bürger, Gesundheitsvorsorge und Volksvermögen“ detailliert aufzeigen.
Im Laufe der Pandemie, so die Kernthese, sollen Milliarden von Euro mittels frisierter und manipulierter Zahlen veruntreut und umverteilt worden sein. Als Profiteure machen die Autoren mehrere Akteure aus, die das komplexe deutsche Krankensystem prägen: Ärzte, Klinikleitungen, Krankenhausbetreiber, Intensivmediziner, Geräteaufsteller, Medizinerverbände, aber auch das Militär, das Gesundheitsministerium und das Robert Koch-Institut (RKI). Gestützt werden diese Vorwürfe hauptsächlich durch die Recherchen Tom Lausens. Der Informatiker sah sich aufgrund der vielen Widersprüche im offiziellen Corona-Narrativ veranlasst, die Daten des RKI und des DIVI-Intensivregisters mit einem selbst entwickelten Programm zu überprüfen. Was er herausfand, klingt dramatisch: „Schwere Fehlentscheidungen der Regierung auf Basis falscher oder nicht vorhandener Dateninterpretationen.“ So hat er es im Juli 2021 als Sachverständiger bei einer Anhörung des vom Deutschen Bundestag eingesetzten «Parlamentarischen Begleitgremiums COVID-19-Pandemie» formuliert.
In «Die Intensiv-Mafia» schildert er seine Ergebnisse noch einmal ganz detailliert und untermauert sie mit mehreren Diagrammen, die über mehrere Seiten gehen. Der Korruptionsskandal, so Lausen, basiere hauptsächlich darauf, dass die Politik im Panikmodus Anreize zur Selbstbereicherung geschaffen habe. Als eines der vielen Beispiele werden die sogenannten Ausgleichszahlungen für Einnahmeausfälle angeführt: „Im Zeitraum vom 16. März 2020 bis zum 30. September 2020 gab es für alle Krankenhäuser mit für COVID-19-Patienten freigehaltener Bettenkapazität Ausgleichszahlungen beziehungsweise sogenannte Freihaltepauschalen, wenn planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe ausgesetzt oder verschoben werden mussten, weil man die Betten für COVID-19-Patienten freihielt. Aufgrund dieser Regelung gingen circa zehn Milliarden Euro vom Steuerzahler an die Krankenhausbetreiber.“
Unerwünschte Mitnahmeeffekte
Das Narrativ vom drohenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems leistet dazu einen erheblichen Beitrag. Während die Krankenhäuser aber in Wartestellung waren, blieb die Zahl von COVID-19-Patienten aus. Der Effekt waren unerwünschte Mitnahmeeffekte. „Es ging nicht um einen realen Ausgleich“, schreibt Walter van Rossum in seinem Teil, „sondern um einen vorsätzlich simulierten.“ Etwas später sollen die Zahlungen an Bedingungen geknüpft worden sein. Eine war unter anderem, „dass alle Intensivstationen in einem Landkreis/Stadtkreis oder einer kreisfreien Stadt zusammen in einem ununterbrochenen Zeitraum von sieben Tagen durchschnittlich eine Auslastung von über 75 Prozent hatten, also nur noch weniger als 25 Prozent an intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten zur Verfügung stand.“ Das habe wiederum dazu geführt, dass einige Krankenhäuser Betten abbauten, um die Auslastung über 75 Prozent künstlich zu generieren und die versprochenen Prämien mitzunehmen.
Ein nicht unwichtiger Nebenaspekt ist dabei, dass die Freihaltepauschalen nicht nur für Intensivbetten, sondern für alle freien Betten ausgeschüttet wurden. Lausen betont jedoch, dass nicht alle Kliniken sich dadurch inspiriert fühlten, die eigenen Taschen zu füllen. Nach seinen Recherchen sollen rund 75 Prozent bei der Manipulation nicht mitgemacht haben. Wer es aber tat, beanspruchte unter anderem nicht nur die Freihaltepauschalen, sondern rechnete auch noch regulär die Betten ab. Nicht weniger trickreich verfuhren man bei der invasiven Beatmung, für die es ebenfalls eine Art Prämie gab, wenn die Beatmungszeit 95 Stunden überschritt.
„Faktenchecker“ als Kollaborateure
Während Tom Lausen in seinem Teil solche Mitnahmeeffekte beleuchtet und die kriminelle Praxis der Krankenhäuser mit Fakten zu beweisen versucht, nutzt Walter van Rossum sein Kapitel für eine Auseinandersetzung mit der Art und Weise, wie der Betrug öffentlich diskutiert wurde. Der Publizist zeigt dabei sein schriftstellerisches Können. Mit spitzer Feder arbeitet er sich insbesondere an den sogenannten Faktencheckern ab, denen die Rolle zufiel, jegliche Korruptionsvorwürfe im Keim zu ersticken und die Ankläger medial zu diskreditieren: „Wer sich also beispielsweise fragte, wieso verschwinden Intensivbetten, während doch pausenlos der Crash der intensivmedizinischen Versorgung beschworen wird, den versorgten die Faktenchecker oder -füchse mit Argumenten, die jeden Zweifel und alle Kritik ausräumten. Meist haargenau am entsprechenden Problem vorbei, dafür aber mit der Wucht höchstinstanzlicher Wahrheitsrichter.“
Diese Passagen sind schon deshalb so lesenswert, weil van Rossum mit enormer Eloquenz vor Augen führt, wie dilettantisch die selbsternannten Faktenprüfer tatsächlich arbeiten. Ihre Spezialität sei es, Behauptungen zu widerlegen, die niemand aufgestellt habe. Obwohl van Rossum aber zusammen mit Lausen als Autor firmiert, haben an dem Buch noch zwei weitere große Namen mitgeschrieben. Während der in der Protestbewegung bekannte Rechtsanwalt Alexander Christ den Prolog übernimmt, ist der Philosoph Matthias Burchardt für den Epilog zuständig. «Die Intensiv-Mafia» kommt daher als ein sehr heterogenes Werk daher, nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich. Zusammengehalten wird es durch die Erzählung der vermeintlich drohenden Überlastung des Gesundheitssystems, durch ein Narrativ, das sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht, aber jeweils aus einer anderen Perspektive betrachtet wird.
Juristische und philosophische Auseinandersetzung mit dem Thema
Legt Tom Lausen in seinem Teil dar, wie die Betrugspraxis der Krankenhäuser das Narrativ generierte, zeigt van Rossum die medialen Strategien, mit denen es am Leben gehalten und befeuert wurde. Alexander Christ beleuchtet hingegen seine Auswirkungen auf gerichtliche Entscheidungen, indem er den eigenen Erfahrungen der letzten zwei Jahre berichtet. Das Narrativ der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems, lautet eine markante Aussage, habe die Justiz dazu veranlasst, ein „System aus Möglichkeiten, Vermutungen und vagen Prognosen zu konstruieren“, um daraus „notwendige, ja unvermeidliche Folgerungen für die Freiheitsrechte der Bürger abzuleiten.“
Anders als Christ wählt Matthias Burchardt im Epilog einen philosophischen Ansatz, um sich mit dem Betrugsskandal auseinanderzusetzen. Zunächst zeigt er, inwiefern Sprache und Bilder den Keim in sich tragen, manipulativ missbraucht zu werden. Sprach- und Bildkritik sei deshalb Ideologiekritik, schreibt der Philosoph – und somit eine notwendige Bedingung für Aufklärung. Wie ist es aber mit Zahlen, lautet die darauffolgende Frage. Sind sie weniger ideologieanfällig? Ist es möglich, mit ihrer Hilfe der Manipulation zu entkommen? Schließlich stammen sie aus der Mathematik, die wiederum nicht für sich beansprucht, ein Abbild natürlicher oder sozialer Phänomene zu sein.
Die Antwort, das haben die im Buch konservierten Rechercheergebnisse verdeutlicht, fällt eher ernüchternd aus. Sprache, Bild und Zahlen, schreibt Burchardt, seien trotz ihrer Verschiedenheit gleichermaßen politisch ausbeutbar: „Auf der einen Seite fungieren sie als Denk- und Darstellungsmittel im Sinne der Aufklärung, auf der anderen geraten sie als Herrschaftsmittel zu Instrumenten der weichen Lenkung und kommunikativen Unterwerfung von freien Bürgern durch Propaganda.“