Viel Bewegung in der Szene kritischer Karikaturisten

von Eugen Zentner

Lesedauer 5 Minuten

Zeitloses Gestaltensammelsurium

Inflation, Energieknappheit und neue Corona-Maßnahmen: Die Politik nimmt absurde wie katastrophale Züge an. Regiert wird von oben, ohne das Volk zu fragen. Dass mehr und mehr Bürger um ihre Existenz fürchten, scheint die Entscheidungsträger nicht zu interessieren. Sie verfolgen ihre eigenen Interessen und setzen sie ohne Rücksicht auf Verluste durch. Solche Zeiten rufen Karikaturisten geradezu auf den Plan. Dem Wahnsinn der Gegenwart ist nur mit Humor beizukommen, weshalb sich mittlerweile eine bunte Szene aus kreativen Köpfen herausgebildet hat, die den Mächtigen mit satirischen Cartoons, Comics oder Memes den Spiegel vorhalten. Darin gehen sie auf die tagesaktuellen Ereignisse ein und ziehen die Protagonisten aus Politik, Wirtschaft und Kultur durch den Kakao, mit provokanten Bildern, pointierten Sentenzen, aber auch mit feinsinnigen Geschichten.

Die ersten Karikaturisten wurden gleich zu Beginn der Corona-Krise aktiv. Als einer der profiliertesten gilt Berliner Grafikdesigner Bert Hochmiller. Seit Juni 2020 produziert er Cartoons und Memes am laufenden Band und veröffentlicht sie im eigenen Telegram-Kanal, der den vielsagenden Namen «Pandemimimi» trägt. Wer seine Werke betrachtet, stellt schnell fest, dass Hochmiller gerne auf die Popkultur Bezug nimmt – auf bekannte Märchen, Comics oder Filme. Durch bildhafte Anspielungen oder kreative Wortspiele werden so die Verfehlungen der politischen Prominenz satirisch überhöht, wobei Gesundheitsminister Karl Lauterbach besonders oft auftaucht. Ihn stellt der Karikaturist schon mal als Hannibal Lecter dar. „Teeparty beim verrückten Panikmacher“, heißt der Cartoon. Daneben steht Angela Merkel und nimmt einen Schluck aus der Tasse – „Angie im Wunderland“.

Seine vielzähligen «Pandemimimi»-Arbeiten hat Hochmiller mittlerweile in zwei Künstlerbüchern versammelt. Er bezeichnet sie als eine „satirische Aufarbeitung des Irrsinns“, meint aber nicht nur die Corona-Maßnahmen, sondern die ganze Politik samt ihren aberwitzigen Kampagnen. Im zweiten «Pandemimimi»-Buch karikiert er unter anderem Deutschlands überzogen zur Schau gestellte Solidarität mit der Ukraine und garniert die Bilder mit Aussagen wie diesen: „Ich zeige meine Solidarität, um mich besser zu fühlen!“ oder: „Ich bin voll sauer auf Putin! Und auf die Ungeimpften natürlich auch.“ An Ideen mangelt es dem Berliner Grafikdesigner nicht. Hochmiller befindet sich regelrecht in einem Kreativrausch und produziert munter weiter. „Solange die Entscheidungsträger so eine groteske Politik machen, fällt mir immer etwas ein“, sagt er.

Glatzköpfiger Held in Kurcomics

Stilistisch etwas anders geht der Karikaturist Rob vor. Er bildet nicht nur die Prominenz aus Politik, Wirtschaft oder Medizin ab, sondern lässt vor allem eine eigenhändig gezeichnete Figur auftreten. Der glatzköpfige Held fungiert meist als ein Protagonist in satirischen Kurzcomics, die sich auf tagesaktuelle Ereignisse beziehen. Im Laufe der Zeit hat die Figur eine Entwicklung durchgemacht. Als sie zu Beginn der Corona-Politik noch das Zeitgeschehen kommentierte, wurden schnell die Charakterzüge eines Wutbürgers erkennbar. Der glatzköpfige Held wirkt in diesen frühen Arbeiten ignorant und unzufrieden mit allem, was in der Gesellschaft gerade passiert. Die späteren Werke lassen ihn schon reflektierter erscheinen, scharfsinniger und weitaus regierungskritischer.

In den seriell losen Kurzcomics führt er Gespräche mit verschiedenen Menschen, unter anderem mit Michael Myers, dem Antihelden des Horrorklassikers «Halloween». „Alle Achtung, Herr Myers!“, spricht er ihn an. „Sie haben letztes Halloween ja ein richtiges Blutbad angerichtet!“ Im nächsten Bild hält er kurz inne: „Moment, die sind alle an Corona verstorben!“ Wie diese beiden Beispiele verdeutlichen, verarbeitet Rob in seinen Arbeiten aktuelle Narrative, indem er im satirischen Modus die Absurditäten der Gegenwart zugespitzt vor Augen führt. Neben solchen Kurzcomics, die der Künstler in seinem Telegram-Kanal veröffentlicht, sind mit der Zeit mehr und mehr Comics entstanden, in denen bekannte Gesichter wie beispielsweise Bill Gates auftauchen. Besonders viele Auftritte erhält wieder einmal Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der bei Rob unter anderem als „Baron Spritzhausen“ sein Unwesen treibt.

Bekannte Typen aus dem Alltag

Ohne diese Prominenz kommen die Arbeiten von Markus Jöhring aus. Der Grafikdesigner, Fotograf und Literat hat ausschließlich bekannte Typen aus dem Alltag zu seinen Protagonisten gemacht, schrullige Figuren mit schlichtem Gemüt, aber einer gewissen Bodenhaftung. Ihr Temperament drückt sich in den altbackenen Namen aus, die der Künstler für den Titel seiner Cartoons-Reihe gewählt hat: «Inge, Willi, Corona und ich». Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt einer Auseinandersetzung mit Themen, die in den letzten zweieinhalb Jahren den Alltag prägten. Das Spektrum ist recht breit – von der Maskenpflicht über Zensur bis hin zur allgegenwärtigen Angst vor einer Krankheit, die über 99 Prozent der Menschen überleben. Jöhring setzt in seinen Werken bewusst auf Skurrilität, um „dem angestrebten Perfektionismus der Hygienepolitik entgegenzuwirken“, wie er sagt. Das macht sich unter anderem in den Dialogen bemerkbar, die oftmals flapsig formuliert sind.

Der Künstler versteht es aber auch, seine Kritik mithilfe von Grafiken auszudrücken. Ein gutes Beispiel stellt das Kuchendiagramm aus dem Frühjahr 2022 dar. Daneben wird erläutert, wofür sich die Bevölkerung anteilsmäßig ausspricht: „32 % der Deutschen sind gegen mehr dafür“, heißt es in Anspielung auf zweifelhafte und wenig glaubwürdige Studien. Der Rest sei hingegen „für mehr dagegen“. Betrachtet man das Verhältnis von Sprache und Bild, wird schnell deutlich, dass der Text in seinen Cartoons dominiert. Jöhring erklärt das mit dem Gefühl, in diesem Genre sicherer zu sein. Veröffentlichte er seine ersten Arbeiten noch auf Facebook und Instagram, stellte er später einige von ihnen in der Recklinghäuser Innenstadt und im Biergarten eines Restaurants aus. Als das Werk anwuchs, ließ der Künstler ein richtiges Buch als Hardcover drucken. Nun geht «Inge, Willi, Corona und ich» in die zweite Auflage und soll um Cartoons erweitert werden, die nach der ersten entstanden sind.

Mutti’s Kochshow mit Angela Merkel

Weniger im Buch als in einem Magazin bündelt der Künstler namens Comiczeichner seine Werke, die sonst im eigenen Telegram-Kanal erscheinen. Während der Karikaturist hier jede seiner Arbeiten veröffentlicht, präsentiert er dort lediglich eine Auswahl aus 100 seiner besten Stücke. Wie seine Kollegen hat der Comiczeichner recht früh begonnen, sich mit der Corona-Thematik auseinanderzusetzen. Viele seiner Werke beschäftigen sich mit der Abschaffung des Grundgesetzes und dem Verlust demokratischer Werte. Auf einer Zeichnung ist etwa Angela Merkel zu sehen, die in ihrer eigenen Sendung «Mutti’s Kochshow» auftritt. Vor ihr liegt ein Fisch mit der Aufschrift „Grundgesetz“, dem sie gleich den Kopf abschneiden wird, mit einem Messer, der den Schriftzug „Ermächtigung“ trägt. In einem anderen Kleinwerk spielt sie die Hauptrolle in einem Stück namens „Bundestheater“.

Der Comiczeichner beschränkt sich in seinen Karikaturen nicht nur auf Prominenz und Durchschnittsbürger, sondern lässt auch gerne Götter, Bäume, Tiere oder Alltagsgegenstände auftreten, die menschliche Züge tragen. Konzentrierte er sich anfangs noch stark auf die Corona-Krise, widmet er sich mittlerweile vermehrt tagesaktuellen Themen wie dem Ukraine-Konflikt, der politischen Inkompetenz deutscher Entscheidungsträger sowie dem selbstverursachten Anstieg der Energiepreise. Nicht weniger oft taucht in seinen Zeichnungen die Passivität der meisten Bürger auf, die angesichts des politischen Missmanagements nicht aufbegehren. „Worauf wartest du!“, steht auf einer Zeichnung, die zwei bis zum Kopf im Wasser steckenden Männer abbildet. „Schaumer mal“, sagt einer von ihnen, der genauso wie der andere mit geschlossenen Augen so tut, als säße er im Whirlpool.

Bewusste Logikbrüche

Mit den gleichen Themen beschäftigt sich Olaf Schmalbein, der während der Corona-Krise ebenfalls dadurch auffiel, dass er in seinen Karikaturen deutlich Kritik an den Maßnahmen übte. Meistens handelt es sich dabei um einfache Zeichnungen mit viel Text, der die Absurdität der Politik mithilfe von bewussten Logikbrüchen auf den Punkt bringt. „Klabauterbach ist sich sicher: Winterreifenpflicht gegen Corona“, ist etwa eine Karikatur überschrieben, die einen hilflosen Karl Lauterbach mit einem Reifen um den Hals darstellt. Die Berichterstattung der Leitmedien bekommt ebenfalls ihr Fett weg. In einer Karikatur steht ein ARD-Team vor dem Reichstag. Hinter dem Reporter vor der Kamera befindet sich ein riesiger Elefant mit Corona-Noppen, der die „Indische Mutante“ darstellen soll. „Ist das nicht ein bisschen drüber, fragt der Kameramann. „Quatsch“, antwortet der Reporter. „Sonst glaubt uns doch keiner.“

Schmalbein veröffentlicht seine Zeichnung nicht nur auf Telegram, sondern auch auf der eigenen Homepage. Dort finden sich sehr viele Karikaturen zur Impfthematik, derer sich seine kritischen Kollegen nicht weniger gerne annehmen. Auf einem Bild spricht BioNTech-Gründer Ugur Sahin ein Kind an, um ihm den Impfstoff anzudrehen. „Pscht, greif schnell zu! Das sind die letzten 3. Wer weiß, wann ich Nachschub bekomme“, sagt er, während hinter ihm sein mit Impfdosen gut gefüllter Wagen zu sehen ist.

Dieser bissige Spot ist typisch für alle kritischen Karikaturisten, zu deren originellstem Vertreter der im 1bis9-Magazin regelmäßig publizierende Bernd Zeller zählt, dessen Werke in verschiedenen Büchern im Solibro-Verlag erschienen sind. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, lassen sich vom gesellschaftlichen Druck auf Andersdenkende nicht einschüchtern und verweisen mutig auf Fehlentwicklungen, die gestoppt werden müssen. Humor ist die beste Waffe im Widerstand. Das beweisen die genannten Karikaturisten kontinuierlich kunstvoll.

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