von Eugen Zentner
Lesedauer 4 MinutenDie letzten Jahre waren für kritische Prominente kein Zuckerschlecken. Der Meinungskorridor hat sich so verengt, dass sie kaum noch etwas sagen können, ohne Konsequenzen zu befürchten. Wer ein Tabu-Thema anfasst und es anders betrachtet, als es das offizielle Narrativ vorgibt, wird nicht nur öffentlich diffamiert, sondern auch geschasst. Viele Künstler haben wegen ihrer Meinung sämtliche Aufträge, Rollen und sogar eigene Fernsehsendungen verloren. Der Trend begann schon vor „Corona“, nahm aber spätestens ab Einführung der Impfung enorm Tempo auf. Einige Musiker, Schauspieler oder Kabarettisten stehen vor den Scherben ihrer Existenz und haben Schwierigkeiten, an Engagements zu kommen. Sie müssen von Null anfangen und suchen nun in den alternativen Medien nach neuen Möglichkeiten. Das kann sich durchaus auszahlen, wie die Erfolgsgeschichte des sächsischen Kabarettisten Uwe Steimle beweist.
Der 59-Jährige war früher eine Person des Zeitgeschehens. Er saß regelmäßig in Talkshows, trat als Schauspieler in diversen Fernsehproduktionen auf und hatte sogar im MDR eine eigene Sendung: «Steimles Welt». Von 2013 bis 2019 tourte er zusammen mit Michael Seidel in einem Wohnwagen durch Mitteldeutschland, um sich mit Menschen über ihre Geschichten vor und nach der Wende zu unterhalten. In diesen Jahren kam es ihm zunehmend vor, als wäre der totalitäre Geist der DDR zurückgekehrt. Steimle stellte fest, dass die Meinungsfreiheit mehr und mehr verblasste. Kritik an Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft war plötzlich nur dann erlaubt, wenn sie den Verlautbarungen der Leitmedien entsprach. Wer ausscherte, wurde zur Persona non grata.
Dieses Schicksal ereilte schließlich auch Steimle, als er nicht aufhörte, öffentlich Standpunkte zu vertreten, die aus Sicht leitender Redakteure verpönt waren. Die Rollen-Angebote gingen genauso zurück wie Talkshow-Einladungen und Interview-Anfragen. Doch die größte Enttäuschung sollte erst kommen. 2019 bekam er überraschend einen Anruf von der obersten Zentrale des MDR, mit dem Hinweis, dass «Steimles Welt» wahrscheinlich nicht fortgeführt werden würde, obwohl es schon weitere vier Sendetermine gab. „Mir wurde gesagt, man müsse jetzt die Intendantin schützen“, so Steimle. „Hinter ihr sollen der NDR und Der Spiegel her gewesen sein.“ Offenbar sah man beim Sender das medial verzerrte Image des Kabarettisten als Gefahr an, weshalb er ihn erst einmal aus dem Programm nahm. „Ich war sozusagen ein Bauernopfer“, kommentiert Steimle den Vorgang. Als offizielle Begründung ließ der MDR verlauten, dass der Kabarettist „illoyal“ gewesen sei. Kurz darauf wurde er auf allen Kanälen als „Feind der Demokratie“ bezeichnet. „Seitdem arbeiten Presse und Fernsehen daran, mich zu zerstören“, so Steimle.
Ein Comeback in den alternativen Medien
Doch seine Fans halten ihm die Treue. Rund 50.000 Zuschauer sollen eine Petition unterzeichnet haben, um die Sendung wieder zurückzuholen. Den Kabarettisten erreichten in der Folge viele Solidaritätsbekundungen. Namhafte Kollegen ermunterten ihn, nicht aufzugeben und auf YouTube aktiv zu werden. Steimle ließ sich schließlich überzeugen und wagte den Schritt. Während der Corona-Krise, in der er die Maßnahmen-Politik öffentlich kritisierte, ging schließlich sein Kanal «Steimles Welt» online. Die Abonnentenzahlen steigen seitdem kontinuierlich und liegen momentan bei über 85.000. Das Comeback auf YouTube leitete der sächsische Künstler mit einem Format an, das konzeptionell an seine vorherige Sendung beim MDR anschließt. «Steimles neue Welt» heißt sie und wird seit dem Start jedes halbe Jahr ausgestrahlt.
Der Kabarettist fährt wieder in einem Wagen durch die Republik, um mit Menschen aus den verschiedensten Gesellschaftsbereichen zu sprechen. In Berlin trifft er einen 77-jährigen Philosophen und Oktober-Club-Sänger, der von seinen Erfahrungen in der DDR erzählt. Nach Liebstadt im Erzgebirge reist Steimle für eine Ziegenwanderung, um dabei mit einer Pferdetrainerin über ihre Tierliebe zu plaudern. In Görlitz hört er sich von Klaus Feldmann, einem ehemaligen Nachrichtensprecher der DDR-Sendung «Aktuelle Kamera», unter anderem an, wie dessen einzige Begegnung mit dem Generalsekretär Erich Honecker verlief. Für die Gespräche nehme er sich sehr viel Zeit, so Steimle: „Wir fahren sozusagen ohne Ziel“, kommentiert er die Arbeit mit seinem dreiköpfigen Team. „Meine Interviewpartner sollen frei und ohne Druck erzählen, was ihnen auf der Seele brennt.“
Steimles eigene Aktuelle Kamera
Parallel zu «Steimles neue Welt» hat der Kabarettist seine eigene «Aktuelle Kamera» auf Sendung gebracht. Alle vierzehn Tage nimmt er hier auf satirische Art und Weise Bezug auf die gesellschaftspolitischen Ereignisse, die wie unter einem Brennglas betrachtet werden. Es geht um die Corona-Politik oder die Energiekrise, um die Geschäftspraxis der US-amerikanischen Investmentgesellschaft „BlackRock“ oder die Staatsverschuldung, um das Wahldebakel in Thüringen, Gender-Wahnsinn oder Sprachregelungen samt sinkender Meinungsfreiheit – garniert mit humorvoll bissigen Bemerkungen. Es ist eine klassische Kabarettsendung, die mit Polemik und Überspitzung auf die sozial-politischen Missstände hinweist. Bei den Abonnenten kommt die Satire-Show sehr gut an, wie die vielen positiven Kommentare belegen. In ihnen wird nicht nur die gute Unterhaltung gelobt, sondern auch die Finesse, mit der Steimle die aktuelle Lage in Deutschland auf den Punkt bringt.
Zusätzlich zu diesen Formaten moderiert der sächsische Künstler zusammen mit der Journalistin Kathrin Huß die Talkshow «Ruderboot», die ebenfalls nun in den alternativen Medien ausgestrahlt wird, auf YouTube und dem Online-Streaming-Dienst Nuoflix. Das Duo spricht in der Sendung mit Menschen, die im Fernsehen normalerweise keine Stimme bekommen – über Themen, die dort kaum berücksichtigt oder ausschließlich aus der Sicht der herrschenden Meinung diskutiert werden. Die Talkshow kommt genauso gut an wie Steimles Live-Auftritte. Auch sie absolviert er noch fleißig wie eh und je. Während andere Kabarettisten mittlerweile vor halbvollen Sälen ihre Kunst darbieten, füllt der 59-jährige Sachse die Häuser. Der Andrang sei enorm, sagt er. Teilweise handle es sich um Shows, die wegen der Corona-Politik ausfielen.
Dass so viele Menschen ihm die Treue halten, zeige ihm, wie groß das Bedürfnis nach staatlich nicht kontrollierten Inhalten sei, beschreibt Steimle seine Beobachtungen. Diese Entwicklung mache ihm Hoffnung. Seit dem schmerzhaften Rauswurf aus dem Öffentlich-rechtlichen Rundfunk fühle er sich freier. „Die Tätigkeit in den alternativen Medien gibt mir Mut, Zuversicht, Elan und Gelassenheit. Zurück ins Mainstream-Fernsehen will er nicht mehr. Vielmehr genießt er die Verantwortung, sich selbst angehören zu dürfen. Mit der neu gewonnen Leichtigkeit steigen die Anfragen für Shows, Kooperationsprojekte oder anderweitige Engagements. Steimle reitet wieder auf der Welle des Erfolgs. Und er führt allen Künstlern vor Augen, dass es sich durchaus lohnt, gegen den Strom zu schwimmen. Wer befürchtet, mit einer andren als der herrschenden Meinung die eigene Karriere zu gefährden, kann an seinem Beispiel sehen, dass sich jenseits des Mainstreams Chancen auftun – wenn die Qualität stimmt. Authentizität, Geradlinigkeit und ehrliche Kritik kommt bei den Menschen besser an als der fade Einheitsbrei in den Leitmedien.