Brief an die Kollegen

von Camilla Hildebrandt

Lesedauer 5 Minuten
1bis19 - Brief an die Kollegen
 Nō-Maske aus der Sammlung Guimet

Einer meiner sehr wenigen tatsächlichen Freunde unter den Journalisten bezieht sich oft auf den Fernsehjournalisten Hans-Joachim Friedrichs, wenn wir über unseren Beruf sprechen: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Und er hat Recht. Obwohl ich gerade las, dass das Zitat aus einem Spiegel-Interview von 1995 etwas umfangreicher war: „Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören.”  Eine Meinung haben Journalistin dennoch, die sie als solche in einem Kommentar publizieren können. Was ist mit Aktivismus und Journalismus? Ein Widerspruch?

Aktivismus versus Journalismus?

In sieben Jahren Journalisten-Ausbildungstätigkeit im Ausland, finanziert mit öffentlichen Geldern, mittels des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wurde das Thema oft diskutiert. Und es wurde vor allem strikt abgelehnt. Journalismus und Aktivismus stünden gegensätzlich zueinander, ließen sich nicht verbinden. Ich muss zugeben, ich war schon immer recht tolerant, auch in dieser Frage. Wenn ein Journalist sich in seinem Privatleben und/oder als Journalist für etwas einsetzt, was ist falsch daran? Meine Meinung generierte nicht selten völliges Unverständnis bei Kollegen. Was passiert aber, wenn die Kollegen gar keine Meinung mehr haben, weil die des Arbeitgebers definitiv die Richtige und nicht zu Diskutierende ist? Und was ist, wenn dir das Land und seine demokratischen Grundlagen regelrecht um die Ohren fliegen, das System des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, von dem du überzeugt warst, und es in deinen Lehraufträgen von Brasilien bis Guatemala, Palästina bis Libanon als Vorbild erwähnt hast, in sich zusammenfällt, sich durch seine einseitige Berichterstattung und sein massives Hierarchie- und Machtproblem selbst ad absurdum führt? 

Wie man zum Aktivisten wird

Spätestens da bin ich zur Aktivistin geworden. Aktivistin für gelebte Demokratie, Gewaltenteilung, gelebte Menschenrechte, für ein System, wo das Recht nicht Kostgänger der Macht ist, wie aktuell der Fall. Ich bin zur Demokratie-Aktivistin geworden als Kinder und ihre Eltern für Schlittenfahren verfolgt und bestraft wurden – im Namen der allgemeinen Gesundheitspolitik. Als in Australien Covid-Positive wie Aussätzige in Lager gesperrt wurden, als alte Menschen vor Vereinsamung starben, weil ihren Enkeln massive Panik eingetrichtert wurde, sodass sie Angst hatten die Großeltern anzustecken und gar zu töten. Ich bin zur Demokratie-Aktivistin geworden, als Touristen in Peru drei Wochen im Quarantäne-Hotel wie Kriminelle bewacht wurden, beim Verlassen drohte man zu schießen, im Namen der Gesundheitspolitik. Ich bin Menschenrechts-Aktivistin seitdem Demonstranten weltweit in eine Ecke mit Rechtsradikalen und Corona-Leugnern gestellt werden (letztere gab es vermutlich nie, aber der Begriff hält sich wie eine Zecke). Seitdem die “Impfung” mit einem nicht ausgetesteten Stoff und millionenfach oft irreparablen Nebenwirkungen, bis hin zum Tod, zum Allheilmittel gegen ein neues Virus verkauft wird. Seit Waffeneinsatz gegen Spaziergänger salonfähig ist, Impfkritiker gesellschaftlich geächtet werden und Bankkonten von friedlichen Demonstranten in Kanada im Namen der Gesundheitspolitik eingefroren werden. Ich bin Demokratie-Aktivistin seit die Bedeutung der Solidarität wissentlich missbraucht und die Gesellschaft durch Panik traumatisiert wird.

Wer ist Journalist?

Bin ich nun keine Journalistin mehr? Doch. Mehr denn je. Ich kämpfe als Aktivistin für die Menschenrechte und Demokratie und schreibe als Journalistin darüber. Denn das ist meine Pflicht. Wir haben es mit einem Jahrhundertereignis zu tun, der größten medizinischen und menschlichen Krise seit ich denken kann. Einer Systemkrise unserer vielgepriesenen Demokratie, wie man sie sich in einem Science-Fiction-Film nicht dramatischer hätte ausdenken können. Jeder Journalist, der jetzt immer noch keine Meinung zu diesem Thema hat und den aktuellen deutschen Gesundheitsminister mit seinen Fragen in dessen eigenen, unerträglichen Widersprüchen nicht evidenzbasiert demontiert, sondern weiter seine hanebüchenen Prognosen verbreitet, ist für mich kein Journalist mehr. Er ist Kostgänger der Macht oder des Geldes. „Ich kann nicht, ich habe Frau und Kinder zu ernähren“, gilt für mich nicht mehr. Dann such dir einen anderen Job. Oder warst du nie Journalist? Hast du nie für die Sache gebrannt? Deinem Leser, Hörer, User verschiedene Meinungen nahezubringen, Fakten zu recherchieren, zu vergleichen, gegenüberzustellen, nach der Wahrheit zu suchen? Ich schon, spätestens seit COVID-19. Ich habe meinen gut bezahlten Job gekündigt, weil konstruktive Kritik in jenem Medien-Unternehmen ein Kündigungsgrund war, auf subtile Art, versteht sich. Man bekam schlicht keine Projekte mehr oder wurde vor den Kollegen diskreditiert, weil man in der Online-Konferenz vor dem PC zu zweit keine Maske trug.

Es geht um Geld, Macht und Standing

Du kannst es dir leisten, du…“, Ausrede, liebe Kollegen. Niemand kann es sich leisten in meinem Alter nochmal von vorn anzufangen. Aber ich kann noch in den Spiegel schauen. Könnt Ihr es noch? Oder ist Euer Ausreden-Gebilde schon derart zugewachsen, dass für Authentizität, Ehrlichkeit und objektive Berichterstattung kein Raum mehr ist? Was ist mit Euren Kindern? Erzieht ihr Sie zu „anständigen Bürgern, die sich nicht auf Demonstrationen beteiligen“ oder zu freien, selbstbestimmten Zeitgeistern? Es geht um Geld, um Macht, um das Standing, um die Position im Unternehmen. Die Ärztin in der Talkshow würde gerne über die schweren COVID-Impfnebenwirkungen in ihrer Praxis erzählen, „aber dann verliere ich meinen Job.“ Was gibt es denn Schlimmeres zu verlieren als seine Integrität? Als die gelebten demokratischen Werte in seinem Land? Als das selbständige und freie Entscheiden über seinen Körper und seine Handlungen ohne gesellschaftlichen Druck? Was gibt es Schlimmeres zu verlieren als die Demokratie, als das menschliche Miteinander?
Ich bin Journalistin und Menschenrechts-Aktivistin. Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, welche nahezu alle Staaten unterzeichnet haben, werden aktuell fast weltweit brutal misshandelt. Und dennoch nennen sich die Volksvertreter weiterhin Demokraten. Und was macht der Großteil der Journalisten? Er schaut zu! Sucht euch einen Bibliothekars-Job, werdet Tellerwäscher oder geht in die Forschung. Aber der Journalist und die Journalistin, der/die heute keine Meinung zum aktuellen Weltgeschehen in der sogenannten COVID-Krise hat, der nicht selbstständig Primärquellen und Statistiken nachlesen kann („Hast du denn die Statistik des RKI, der EMA, des PEI dazu gelesen?“ – „Nein, aber…“), sondern nur Kollegen oder Politiker zitiert, sollte sich nicht mehr Journalist nennen.

„Querdenker radikalisieren sich“

Ich bin mit Leib und Seele Querdenkerin. Duden: Querdenken – unkonventionell, originell denken.  Denn das muss ich als Journalist tun: querdenken, verstehen wollen, nachprüfen, überdenken, in Frage stellen. Und ich habe mich radikalisiert, ja, im besten Sinne. Ich schreibe vermeintlichen Kollegen ihren Status als Journalist ab, wenn sie nicht endlich anfangen selbstständig zu denken, zu recherchieren und sich eine evidenzbasierte Meinung zu bilden. Denn wenn sie das nicht tun, sind sie selbst, wie viele Politiker, korrumpiert. Das wäre das Ende meiner Zunft, wenn es nicht schon so weit ist.


P.S.: Es fehlt der Satz vieler Kollegen: „Ich bin dreimal geimpft, aber…“. Also füge ich hinzu: Obwohl es den Leser nichts angeht, genauso wenig wie ob ich Salzletten oder Gummibärchen mag, bisexuell oder heterosexuell bin, gegen Tollwut geimpft bin oder nicht, so sage ich dennoch: Ich bin nach wie vor jung und gesund und werde mich nicht mit einem nicht ausgetesteten Präparat impfen lassen, das alle drei Monate aufgefrischt werden muss und gegen die aktuelle COVID-Variante nicht einmal wirkt, nicht heute und nicht morgen. Mein Körper, meine Entscheidung. 

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