Wir Narren

von Katja Leyhausen

Lesedauer 4 Minuten
1bis19 - Wir Narren
Jan Matejko Der Hofnarr Stańczyk (1862) – Nationalmuseum Warschau

Die Mainzer Karnevalsvereine hatten auch dieses Jahr – aus Furcht vor Omikron und vielleicht auch vor ihrer eigenen Courage – ihre Rosenmontags-Aufzüge abgesagt. Doch am Faschingsdienstag berichtete die Online-Zeitung Mainzund.de: Zu Rosenmontag habe auf dem Schillerplatz eine “spontane Fastnachts-Großkundgebung” mit 1000 Teilnehmern trotzdem stattgefunden!

Was war passiert?

Die Initiative 1bis19 e.V. sieht schon lange, dass mit Kultur willkürlich umgegangen wird, weil viele Verantwortliche sie als nicht “systemrelevant” einstufen. Veranstaltungen werden abgesagt oder durch kaum evidenzbasierte Hygienepläne und 2G-Diskriminierungsapparate bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Man möchte damit den Regierenden gefallen, will keine Subventionstöpfe riskieren und sich dem allgemeinen Mainstream mit seinem fürsorglichen Gesundheitsmarketing verkaufen.

Meister Proper putzt so sauber, dass man sich drin spiegeln kann”, so schallte es früher von den Fernsehbildschirmen. Wem nun seit März 2020 überhaupt noch ein Museums-, Theater- oder Konzertbesuch angeboten worden ist, der bekam und bekommt weiterhin von allen Beteiligten versprochen, dass er hier jedenfalls nicht auf Krankheit und Tod treffen kann. Eine Großveranstaltung von 1000 Karnevalisten oder mehr hingegen, das bleibt unverkäuflich und voller Gefahren, in allerlei Hinsicht. So das Vorurteil.

Da fanden sich couragierte Kritiker von 1bis19 zusammen, die sich der Ursprungsidee des Karnevals besannen. Nämlich, die Ordnung der Welt auf den Kopf zu stellen, das Unterste nach oben zu kehren, Regierende in gleicher Weise zu kritisieren wie herrschende Meinung und Vorurteile. Es galt, das Klischee auszuräumen und zu zeigen: Doch, man kann unter freiem Himmel, mit Bedacht und Fröhlichkeit feiern – und man kann das sogar mit einer politisch wirksamen Botschaft tun. Eine Demonstration mit Masken wurde angemeldet und die Webseite maskenzug.de eingerichtet, damit niemand auf die Idee käme, es handele sich um eine traditionelle Faschingsveranstaltung.

Brauchtumsmissbrauch

Die lokale Presse reagierte sofort, bei Fassenacht versteht der Mainzer keinen Spaß! Eine Demonstration für irgendwas mit “Kultur” und “Grundgesetz”? “Ausgerechnet auf dem Zugweg des traditionellen Rosenmontagszugs”? Das müssen “Querdenker”, Demokratie- und Karnevalsfeinde sein, die unser “Brauchtum nur missbrauchen”! Die ehrwürdigen Mainzer Fastnachtskorporationen distanzierten sich entrüstet. Parteien, Bürger-Gruppierungen und mit ihr auch die gute Antifa riefen brauchtumswahrend auf, Gesicht zu zeigen “gegen Rechts“.

Von dieser Verunglimpfung ließen sich 400 aufrechte Protestler nicht abschrecken, auch nicht von den närrischen Auflagen der städtischen Behörden: Unter massivem Polizeiaufgebot stellte sich der “Erste Mainzer Maskenzug” ab 13.13 Uhr am Kaisertor auf. Demonstriert wurde mit hübsch verzierten medizinischen Masken auf Nase, Hut und Petticoat, mit einer Krone aus Antigentest-Plaketten und vielen anderen Corona-Accessoires, mit kritischer Live-Musik, auch mit der Unterstützung von lokalen Protestgruppen und einer “unheimlich seriösen Impfstation plus Impfbratwurst” (Bilder hier). Das Publikum am Straßenrand, sofern nicht angetrunken oder von aggressiver Abwehr gegen dies närrisch’ Treiben aufgestachelt, hatte viel zu lachen über einen Protestzug, der inmitten dieser Stadt ohne Abstand und Medizin-Masken gegen Masken und Abstand mit Abstand und Masken protestierte.

Biblische Erfahrungen

Nun lässt sich die Tradition der rheinischen Fastnacht bis weit ins Mittelalter zurückverfolgen; allein DIESE Renaissance mittelalterlichen Erniedrigungsrituals war dann doch für manch einen neu. Doch die Belebung dieser im ehrwürdig bischöflich und kurfürstlichen Mainz offenbar doch nicht eingeschlafenen Tradition, hat gelohnt, frei nach dem großen Versprechen: “Wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lukas 14,11).

Am Tag darauf veröffentlichte Mainzund.de die Bilder einer fröhlichen Original-Karnevalsgarde, die sich mit ungefähr 1000 Menschen zu einer “spontanen Fastnachts-Großkundgebung” versammelt hatte. So also hat der “Erste Mainzer Maskenzug” von 1bis19 spontane Nachfolge gefunden! Zu danken ist jedoch weniger jenen, die – wie die Mainzer Journaille beglückt vermeldete – sooo “friedlich” waren und diesen Demonstranten ein “deftiges Halt’s Maul” entgegenbrüllten, sondern denen, die in heit’rer Demut mit ihrem Einsatz die spontane Rosenmontags-Großkundgebung provoziert und ermöglicht haben. Darauf ein deftiges Helau!

In diesem Sinne sei dem geneigten Leser deshalb hier auch nicht die Büttenrede aus der Feder von Andreas, die Johanna mit der gebotenen Feierlichkeit deklamierte, vorenthalten:

Der Rosenmontag ist versaut,
Die Fassenacht hat sich nicht getraut,
bei der Politik zu insistieren
und den Zug zu zelebrieren.
Statt die Narren zu motivieren
mit Garden und Schwellköpp zu marschieren
werden sie in der Presse laut
und jammern:
Die Demokraten hab’m uns den Zug geklaut!

Statt mit Euch durch die Stadt zu laufen,
Euer buntes Treiben anzuschauen,
einzustimmen in eure Lieder,
müssen wir stattdessen wieder
mit besorgter Miene und ernstem Gesicht,
Schilder tragen und marschieren,
um fürs Grundgesetz zu demonstrieren.

Am 11.11. wart Ihr alle breit,
die Pandemie hatte hohe Zeit.
Sicherheit hat Euch da nicht interessiert
Weil: Da habt Ihr Fassenacht zelebriert!
Ungeimpfte mussten draußen bleiben
Die durften sich auch nicht verkleiden
Nicht lachen, trinken, schwadronieren.
Ihr konntet das gut ignorieren.

Ihr Simpel, Kasper, Hoseschisser,
ZDF-informierte Besserwisser
meint, Ungeimpfte wären alle Deppen
Wegen denen würdet Ihr alle verrecken.
Seht selbst, was diese Impfung bringt
Zu der man Euch mit Bratworscht zwingt.
Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier –
dann steht Omi Krönchen vor der Tür.
Und Christian – Professor von Quandts Gnaden –
wird weiter neue Varianten erraten.
Dann kommt Spritze fünf, sechs, sieben, acht.
Viel hilft viel
Deutschland – gute Nacht!

Auch die Medien in Mainz,
die ganz großen,
haben randvoll ihre Hosen.
Anstatt zu reden mit Normalen,
suchen sie die Radikalen,
die Durchgeknallten und die Deppen,
um die Fernseh-Klischees zu retten,
sie als Idioten hinzustellen
und Meinungsvielfalt zu verprellen.

Wollt Ihr ein Leben lang Maske tragen?
Jedem Euren Status sagen?
Wenn Ihr wo rein wollt – Handy zeigen?
Brav „Ja und Amen“ – ansonsten schweigen?
Das wird die sich’re neue Welt,
von der Merkel oder Scholz euch nichts erzählt.

Heut dürfen wir nach Mainz noch rein.
Wie lang wird das wohl noch so sein?
Ungeimpfte zu diskriminieren
das scheint in Mode –
sind doch eh nur Vollidiote!
Als nächstes kommt dann kasernieren?
Nein Freunde, das darf nicht passieren!
Demokraten aus dem ganzen Land,
marschiert mit uns heute Hand in Hand!
Nur Ihr könnt diesen Spuk beenden,
Lasst Euch von Propaganda nicht verblenden.
Sagt der Regierung, was Ihr wollt.
Wir sind der Souverän, nicht nur das Volk!

Die da oben dürfen nicht alles tun, was sie wollen.
Das Grundgesetz verpflichtet sie,
allen uneingeschränkt Respekt zu zollen!
Frank-Walter, fische nicht weiter im Trüben,
du schworst, Gerechtigkeit gegen
jedermann zu üben!

Also, liebe Fassenachter,
Politikversteher und Demokratieverachter,
Ihr habt frühzeitig den Kotau gemacht
und Eure Umzüge abgesagt.
Deswegen noch eins
und das für wahr:
Wenn IHR nächstes Jahr nicht kommt,
sind WIR wieder da!

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Und jetzt alle ein dreifach donnerndes:
Grundgesetz, Grundgesetz, Grundgesetz!

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