Widerstand gegen die KI (Teil 1)

Teil 1v2: Gegen den Sprachverlust

von Katja Leyhausen

Lesedauer 9 Minuten
Freude am Buch – © 1bis19 (Andreas Hansel)

Wenn Éric Sadin in den bekannten französischen Medien zum Interview auftritt, wird er von den Moderatoren notorisch unterbrochen. Denn der Pariser Philosoph und Schriftsteller hat etwas zu sagen. Die Ungeduld, die ihm entgegenschlägt, ist aufs Engste verbunden mit dem Thema, das ihn seit über zwei Jahrzehnten beschäftigt. Der Einfluss der digitalen Technologien auf Gesellschaft, Kultur und Zivilisation zeigt sich in einer toten, nekrotisierten Sprache, die den öffentlichen Diskurs beherrscht und entdemokratisiert. In Politik und Medien wird nur noch auf Signale und Reize reagiert: mit geduldiger Zustimmung bei bekannten Sprech- und Bewertungsmustern, mit Unverständnis und Unterbrechung, wenn ein Kritiker wie Éric Sadin vom Muster abweicht und deutlich widerspricht.

Der Anlass für Sadins Medienpräsenz im Februar 2025 war der viel beachtete Gegengipfel, den er gegen den globalen AI-Gipfel der Regierung Macron am 10.02.25 in Paris organisiert hatte. Gewidmet war diese Protestveranstaltung der Writers Guild of America, die 11 500 Hollywood-Drehbuchautoren gewerkschaftlich vertritt. Im Jahre 2023 hatten sie sechs Monate lang gestreikt, um zu fordern, nicht durch eine sogenannte „generative KI“ wie ChatGPT ersetzt zu werden. Im Grunde war auch Sadins Gegengipfel eine Gewerkschaftsveranstaltung; ohne die Unterstützung Éric Barbiers von der Nationalen Gewerkschaft der Journalisten (SNJ) wäre er nicht zustande gekommen. Sadin erläuterte: Wenn man etwas Relevantes und Zuverlässiges über’s Rauchen wissen will, dann fragt man nicht die Zigarettenindustrie, sondern den Onkologen im Krankenhaus. Also legten – unweit der pompösen Regierungsveranstaltung im Grand Palais – im Théâtre de la Concorde vor ungefähr 650 Besuchern diejenigen Zeugnis ab, die das Leiden an der KI kennen und sich bereits politisch dagegen organisiert haben.

Die Macht der Digitalisierung

Der Philosoph übernahm die Einleitung: Die Digitalisierung im Allgemeinen wie auch die forcierte Verbreitung der sogenannten „generativen KI“ beruht auf vier Pfeilern, die sie gegenwärtig unangreifbar machen: ihre immense Macht, die extreme Geschwindigkeit ihrer Einführung, ihre Naturalisierung und ihr Fundamentalismus. Die extreme Macht der Digitalindustrie hat drei Dimensionen: Sie besteht in ihrer Finanzmacht und dem politischen Einfluss, der von ihr herrührt. Wie eine „vergoldete Karotte“ faszinieren und mobilisieren die Gewinnaussichten die Politiker, weshalb sie die Macht der Digitalindustrie uneingeschränkt festigen. Seit seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf im Jahre 2017 will Macron aus Frankreich einen KI-HUB machen. Seitdem hat er sich in eine Abhängigkeit von France Tech begeben. Man sieht das an den Gästen seines Gipfels und bspw. an der KI-Kommission, die er 2023 mit der damaligen Premierministerin einberufen hat: Geladen und gehört wird die Tech-Branche, aber nicht die Kritik daran.

Deshalb kommt, zur finanziellen und politischen Macht der Digitalindustrie, drittens noch die Macht, Begriffe und Vorstellungen festzulegen – nicht nur diejenigen, die man sich von ihr selbst macht, sondern die Vorstellungen aus allen Bereichen, die sie betrifft. Sie prägt unser Weltbild mittlerweile fast vollständig. Verantwortlich sind dafür nicht nur die Politiker, sondern auch die Medien, die dem Neusprech ihres Marketings (ihrer novlangue) blind folgen. Die extreme Geschwindigkeit, mit der die Digitalisierung vorangetrieben wird, verhindert Nachdenken, Kritik und Widerstand. Eine Leere des Denkens ist entstanden. Sadin beruft sich auf die „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ Hannah Arendts: Genau dort, „in der Leere des Denkens entsteht das Böse“ („c’est dans le vide de la pensée que s’inscrit le mal“).

Die Kritiklosigkeit führt zum dritten Pfeiler der Digitalisierung und KI: zu ihrer Naturalisierung. Die Naturalisierung erfährt man, wenn Lehrerinnen sogar noch auf dieser Protestveranstaltung über den Gebrauch von ChatGPT in der Schule die Schultern zucken und sagen: „Naja, nun ist sie einmal da, die KI“. Wie eine Naturgewalt oder ein mythisches Schicksal wird das Industrialisierungsprojekt hingenommen. Dass Menschen ihre sozialen Verhältnisse und ihre geschichtliche Rolle gestalten und mitgestalten können, ist gar nicht mehr im Bewusstsein. Die KI wird naturalisiert, aber Körper und Geist werden beide ihrer menschlichen Natur beraubt.

Als vierter Pfeiler der Digitalisierung regiert ihr Fundamentalismus, der alles „überschwemmt“: Da sich alle anpassen und anpassen müssen, sind alle Alternativen versperrt. Sadin meint, ChatGPT hätte bei seinem Erscheinen am 1. Dezember 2022 verboten werden können und müssen. Doch als später jemand aus dem Publikum ruft, jeder könne es ablehnen, ein Smartphone zu besitzen, breitet sich betretenes Schweigen aus. Auch ein Journalist aus dem Publikum, der sich als Autor des unabhängigen Mediums Les Humanités vorstellt, wo alle Texte zu 100 % ohne KI produziert würden, bekommt keine Resonanz. 

Strategien, Baustellen

Nun, es braucht Strategien. Die philosophisch-sozialkritischen Erkenntnisse nützen nichts, wenn nicht aus ihnen heraus eine politische Praxis entwickelt wird. Sadin präsentiert, analog zu den vier Grundpfeilern der digitalen Macht, vier entscheidende Fragen, die er als schweißtreibende Baustelle begreift, nicht als kontemplative Denkerpose:
1. Wie kommt man ins Handeln gegen diese große Macht?
2. Wie geht man mit der extremen Schnelligkeit um, wenn man sich nicht überfahren lassen will?
3. Wie kann man das Dogma der unabwendbaren, quasi-natürlichen Entwicklung zerstören und gegen den allgemeinen Fatalismus angehen?
4. Wo findet man andere Wege und Lebensweisen, die noch nicht völlig von der digitalen Ideologie und Praxis zugeschüttet sind? 

Sprachlich und begrifflich sind wir nicht gut ausgerüstet, das ist Sadins Diagnose. Die Sprache für den Widerstand muss erst noch entwickelt werden. Wenn also das Thema auf solchen Veranstaltungen und Großveranstaltungen überhaupt besprochen wird, dann geht man gegen die Sprachlosigkeit an und dann ist das bereits aktiver Widerstand. Für die tabuisierte Realität müssen die Wörter und Sätze erst einmal gefunden werden, damit man hinter die falschen Kulissen der Digital-Propaganda schauen kann. Bei seinen öffentlichen Auftritten erinnert Sadin immer wieder daran, dass die mathematisch-statistische Mustererkennung durch die künstliche „Intelligenz“ nicht intelligent ist, und die Reproduktion solcher Muster gerade nicht „generativ“ und schöpferisch, sondern bloß reproduktiv. Der Infantilisierung in Politik und Medien, wo immer nur die Sprache der Digitalindustrie angehört und nachgesprochen wird, müsse eine sprachliche Emanzipation entgegengesetzt werden. Abgesehen von der gewerkschaftlich institutionalisierten Form könnte diese Art des aktiven Widerstands gegen ein demokratiefeindliches Industrialisierungsprojekt für Initiativen wie 1bis19 e.V. beispielgebend sein. Sadin nennt das eine „polique du témoignage“, das heißt: eine Politik, bei der (wie bei vielen Corona-Protesten) Zeugnis über die Schäden abgelegt wird.

40 Smartphones die Sekunde: KI & Umweltzerstörung

Zuerst kamen Wissenschaftler zu Wort, die die Ausbeutung materieller Ressourcen erforschen (unter dem französischen Schlagwort des extractivisme). Es werde immer vergessen, dass die digitale Industrie eine Rohstoff-, Bergbau- und Infrastrukturindustrie ist. Was man sich als immateriell, weil virtuell vorstellt, ist eben doch materiell; das Kostenlose kostet. So tobt seit 30 Jahren im Krieg um seltene Erden in Kongo und Ruanda der geopolitische Ressourcenkampf, der seit dem Überfall der Rebellengruppe M23 im November 2021 noch brutaler geworden ist. Die Banden finanzieren sich und ihre Massaker aus “Blutgesteinen”. 40 Smartphones werden jede Sekunde auf der Welt verkauft. Dafür braucht man Koltan aus der Provinz Rubaya (der weltweit größten Koltanmine). Man braucht Indium, Wolfram, Gold aus der Provinz Kivou, Kobalt aus Katanga … Die Region wird ausgeplündert; demokratisch ausgehandelt wird nichts. Der Urwald wird abgeholzt, Trinkwasser und Ackerboden sind verseucht. Die UNCF schätzt, dass in den Minen allein der Provinz Katanga 40 000 Kinder von 5 bis 15 Jahren ausgebeutet werden. Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung, Hunger, Flucht, Vertreibung. 27 Millionen Menschen der Region sind unterernährt.

„Das ist die Welt, in der wir leben“: KI & Bildung

Zum Thema Bildung und „generative KI“ referieren zwei Gewerkschaftsfunktionärinnen der UNSA (Union Nationale des Syndicats Autonomes) bzw. UNSA Education (Dachverband für 20 Lehrergewerkschaften). Sadin meint, Bildung müsse doch dasjenige Gebiet sein, das alle am meisten gegen diese Technologie mobilisiert. Denn die wichtigste Frage sei, ob wir unsere Kinder den toten Maschinen überlassen. Zahlreich seien die Lehrer, die den Sinn ihrer Profession nicht mehr sehen, weil die Schüler ihre Aufgaben mit der KI lösen. Aus dem Publikum wird später der Hinweis kommen, dass auch Schüler besorgt sind, weil ihre Lehrer den Unterricht mit KI vorbereiten und die Klausuren damit korrigieren. Das Problem bestehe insgesamt darin, dass KI keine Widerworte gibt. Es gibt keinen Dissens, an dem man lernen könnte. 

Als Sadin nach der Opposition gegen ChatGPT in der Schule fragt, entgegnet die Generalsekretärin der UNSA Education: „Wir sprechen hier im Auftrag der Gewerkschaft und müssen daher die ganze Breite der Kollegen vertreten“. Sie meint: auch die, die mit der KI gerne experimentieren, und die, die einfach so weitermachen, als wäre nichts. Überhaupt müssten alle gehört werden, auch die Eltern und die Schüler. Viele trauten sich gar nicht mehr, bei solchen Debatten den Mund aufzumachen: „Das ist die Welt, in der wir leben“. Weiter beklagt sie sich: Es sei alles so komplex, jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Für Grundsatz-Diskussionen sei gar keine Zeit. Sie selbst sei als Lehrerin in den 1990ern ausgebildet worden und könne heute nicht mehr so unterrichten, wie es ihr beigebracht wurde. „Wir“ – wir Lehrer – „brauchen eine Begleitung, um diese komplexe Welt, in der wir leben, zu verstehen“.

Es ist eine Frage der Macht

Die Frage nach Opposition und Mobilisierung wird Sadin im Laufe des Tages allen Referenten stellen. Überall wird er die gleichen Rechtfertigungen und Gründe dafür hören, dass der Widerstand bisher weitgehend ausbleibt: „Ich habe die Funktion schon im letzten Jahr abgegeben, oder: wir haben keine Zeit im Arbeitsalltag (denn wir müssen neue Software einführen), oder: wir sind freischaffend und erpressbar, die Interessen auch innerhalb der Berufsverbände und Gewerkschaftsorganisationen sind so verschieden, oder: schließlich hat die generative KI auch Vorteile“ …. Trotzdem sind es diese beiden Lehrerinnen, die den meisten Protest aus dem Publikum ernten: „Wenn doch die Pädagogen Spezialisten für Bildung sind, warum werden sie nicht gefragt?“ Und vor allem: „Warum äußern sie sich selbst auch gar nicht zu Wort? Ist Chat GPT denn nun ein pädagogisches Instrument? Was wäre der Nutzen?“. Man habe den Eindruck, „die Pädagogik interessiere die Pädagogen gar nicht.“ ChatGPT gibt es seit zwei Jahren, Berichte liegen auf dem Tisch –  und die Lehrer warten immer noch darauf, dass jemand sie aufklären möge!

Sadin schließt sich an: Es ist eine Frage der Macht. Im Französischen gäbe es einen passenden Ausdruck, der heiße faire front:Front machen gegen die KI, das sei das Gebot der Stunde. Sonst werden die Kinder in drei Jahren das Alphabet nicht mehr lernen (wollen). Es ist die Sprache und Sprachfähigkeit, die den Menschen vor allem anderen auszeichnet. Die können wir nicht einfach wegdelegieren. Wenn wir die Sprache aufgeben, geben wir uns selbst auf. In der Frage der KI haben wir uns lange genug auf’s Diskutieren, Aushandeln und Anpassen vertröstet. Eine Frauenstimme aus dem Publikum fordert „Radikalität mit Sanftmut“ („d’y mettre un peu de radicalité avec de la douceur“): Die Frage, ob sich die Lehrerschaft wehrt, sei naiv. Denn die GAFAM (das französische Schlagwort für Big Tech: Google, Apple, Facebook, Amazon, Meta) sind multinationale Monopole, gegen die man nicht „mit DIN-AFNOR-Normen“ kämpft. Die EU wird sich ihnen uneingeschränkt unterwerfen, und das heißt: „Wir müssen uns radikalisieren und uns überlegen, wie wir das an Orten machen, die nicht so bequem sind wie dieser hier.“

Arbeit für Madagaskar: KI & Arbeit

Für die Arbeit im öffentlichen Dienstleistungssektor und die soziale Sicherung (service public & protection sociale) sprechen zwei Funktionärinnen der CGT und der Sud-PTT (Post/Postbank). Hier gab es, in Frankreich, zwei Automatisierungswellen seit 2016. Zuerst war die Arbeitslosenversicherung dran; jedes zweite Dossier wird heute automatisch berechnet. 2008 gab es dort 14 000 Stellen, heute sind es noch 7000. Aber gleichzeitig werden von privaten Subunternehmern Stellen ausgeschrieben für unqualifizierte Arbeitskräfte, die die Maschinen mit Daten füttern. Die Nutzer, die ihre Anträge zu Hause am Computer ausfüllen müssen, haben davon nichts. Das Digitalisierungsprojekt ist kein Modernisierungsprojekt, sondern ausschließlich eines von Personalabbau und Outsourcing. Die Gewerkschaft CGT habe keinen Einfluss darauf. Ein Gewerkschaftsvertreter für Berufe der Informatik (Solidaires Informatiques) bestätigt das. Das Privatunternehmen Onclusive, für das er im „Medienmonotoring“ arbeitet, habe seit 2023 60% der Stellen gekürzt. Das heißt nichts anderes als: Die Stellen wurden in Europa gegen KI ausgetauscht und als Billigjobs nach Madagaskar verlagert.

Wie die öffentliche Hand mit der KI Geschäfte macht, das erfährt man aus Post und Postbank. Der multinationale Konzern hat schon im Jahre 2016 das damals kleine Unternehmen Probayes gekauft. Seitdem dienen Post und Postbank als Experimentierlabore für die KI, obwohl sie über ihre Aktionäre zu 100% öffentlich sind. Nicht der öffentliche Dienst steht im Vordergrund, sondern das Geschäft mit KI-Produkten, für das sie ihren guten Ruf und ihre Diensleistungs-Expertise benutzen. „Pop Assistant“ bspw. – eine Art Excel-Tabelle, die mit KI kombiniert ist, um die kostengünstige Personalbesetzung der Filialen zu berechnen – sei seit seinem regulären Einsatz 2023 gescheitert. Die Pläne müssen laufend per Hand nachgebessert werden, weil menschliche Faktoren nicht einberechnet werden. Trotzdem muss sie zwingend angewendet werden, denn die KI soll trainiert werden.

„Wir werden enteignet“: KI & Schreibberufe

Zwei freie Übersetzerinnen und ein Dolmetscher schildern den Umgang mit der „generativen KI“ in ihren Berufen. Der Dolmetscher lobt seine zwei Kolleginnen und die Übersetzung als Brücke zwischen den Kulturen. Während es beim mündlichen Ad-hoc-Dolmetschen immer schnell geht, muss die Übersetzung – ob technisch, ob poetisch – lange Bestand haben. Übersetzer müssen den Sinn eines Textes erfassen, interpretieren und in die andere Sprache übertragen. Sie decodieren nicht, wie die KI, Wortfolgen. Sie übersetzen Sprache und verstehen ihre Kultur – wozu die Maschine nie fähig sein wird.

Wie die Angestellten im öffentlichen Dienst sind auch die freien Übersetzer abhängig von Agenturen, die als lohndrückende Subunternehmen fungieren. Den meisten Kunden dieser Übersetzungsbüros ist die gegenwärtige Übersetzungspraxis gar nicht bekannt. Übersetzt wird – mit einem Anglizismus – post édition: Die Profis bekommen automatische Übersetzungen zur Korrektur und Ausbesserung vorgelegt. Sie müssen zusammenflicken, was nicht zusammenpasst. Dabei ist es viel aufwendiger, aus einem schlechten und teils falschen Text eine korrekte Arbeit anzufertigen, als das auf direktem Wege zu tun. Man arbeitet mehr für weniger Geld. „Ökonomisch ist das ein Drama, psychologisch ist es die Hölle“: 1000 Euro im Monat für den „Scheißjob“, das automatische Kauderwelsch verstehen und bearbeiten zu müssen. Wenn am Ende doch ein Fehler bestehen bleibt, dann sind die Übersetzer voll verantwortlich. „On est dépossédés – Wir werden enteignet“.

Der Habsburg-Effekt

Die Übersetzerinnen nehmen sich die Zeit, ihre Mühsal mit der unintelligent reproduzierenden und kontraproduktiven „generativen KI“ zu schildern: Sich von dem parasitären ersten Entwurf einer Übersetzungssoftware wie DeepL zu befreien, das erfordert einen großen Aufwand. Der Zugang zum Text ist dann schon verstellt. Denn der auf dem Original beruhende, erste eigene Übersetzungs-Entwurf ist beim professionellen Übersetzen das Wichtigste: Hier steigt man in den Textzusammenhang ein, in dessen Kontext, Intention, Rhythmus, Stil … Durch die Algorithmen verarmt die Sprache lexikalisch, syntaktisch, idiomatisch. Sie spucken aus, was sich ihnen als häufigstes Muster darstellt. Alles andere fliegt raus. Selbstredend arbeitet die KI im Wesentlichen mit den großen Sprachen (Englisch, Chinesisch). Kleinere Sprachen fallen aus dem Standard raus, der sowieso schon mies ist. Außerdem werden die Algorithmen mehr und mehr durch sich selbst gefüttert. Das ist der „Habsburg-Effekt“ – eine Art degenerativer Inzest. So werden wir unsere Sprachfähigkeit mit Sicherheit verlieren: Je weniger wir selbst schreiben, desto weniger werden wir schreiben. Für Bereiche wie Wissenschaft, Technik, Politik ist das hochriskant.

Eine Audioversion dieses Beitrags finden Sie hier.

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