Eine Rezension von Eugen Zentner
Lesedauer 3 MinutenIst die deutsche Gesellschaft, vor allem aber die deutsche Politik schwach, langsam, ideenlos? Ja, findet der Unternehmer Quirin Graf Adelmann, der ihr attestiert, in einer Sinnkrise zu stecken. In seinem neuen Buch, das die drei Attribute als Titel trägt, beschreibt der Berliner, was die Bundesrepublik so träge, so lethargisch, ja so destruktiv macht. Das Spektrum der Detailthemen ist breit, wobei der Autor sich auf die Vorgänge der Corona-Zeit beschränkt und die vielen Verwaltungshürden und politischen Fehlentscheidungen am Beispiel der Hauptstadt beleuchtet – oftmals mit viel Ironie und beißender Kritik, in der ein leichtes Unbehagen am Zeitgeist mitschwingt.
Adelmanns Buch kommt nicht als systematisch aufgebaute Demografie daher, sondern besteht aus mehreren Aufsätzen, die zwischen 2018 und 2022 entstanden sind. Die meisten von ihnen schrieb der Autor für den Interessenverband Intoura und bezog sich dabei auf die Erfahrungen, die er als Unternehmer und aufmerksamer Beobachter gesellschaftspolitischer Prozesse zum jeweiligen Zeitpunkt der Corona-Krise gemacht hatte. Wer die teils scharf formulierten Kommentare heute liest, fühlt sich augenblicklich an jene Zeitabschnitte erinnert, weshalb sich die Lektüre unter anderem dazu eignet, sich so manche Geschehnisse wieder ins Gedächtnis zu rufen. Für die Aufarbeitung, die jetzt ansteht, ist das eine hervorragende Grundlage, zumal Adelmann als Unternehmer in Bereichen wie Immobilien, Gastronomie, Sport oder Kultur einen guten Einblick in die damaligen Vorgänge bekam und über Details berichten kann, die nicht sonderlich bekannt sind.
Ganze Branchen wurden durch Finanzmittelabhängigkeit ruhiggestellt
Besonders interessant erweisen sich seine Ausführungen, wenn er die Politik entlarvt, wie sie mit Hilfsgeldern ganze Branchen dazu brachte, die Maßnahmen mitzutragen. Deren Akteure, lässt sich schlussfolgern, wurden durch Finanzmittelabhängigkeit ruhiggestellt. Zugleich sei eine „einheitliche Gesinnung“ gezüchtet worden, so Adelmann. Zusatzinformationen zu den Detailthemen liefert er im Buch in einem Begleittext, der den jeweiligen Artikel einleitet. Darin erläutert der Autor quasi aus der Retrospektive, welche Gedanken ihn damals umtrieben und was ihn dazu verleitete, zu den Ereignissen Stellung zu nehmen. Aus solchen begleitenden Kommentaren erfährt man dann unter anderem, dass der eine oder andere der folgenden Artikel von Intoura nicht angenommen wurde, weil er in Sachen Corona-Politik wohl ein wenig zu kritisch war.
Allerdings beschränkt sich Adelmann nicht nur darauf, die Maßnahmen und die teils irrationalen Versuche der Schadensbegrenzung anzuprangern, sondern liefert auch eigene Lösungsvorschläge, die seiner Meinung nach „sinnvoller und deutlich effizienter“ gewesen wären. Anstatt zum Beispiel Hilfspakete für Unternehmen zu beschließen, hätte die Politik „bereits geleistete Gewerbe- und Körperschaftssteuern aus und für die Jahre 2018 und 2019“ erlassen und erstatten sollen, „wenn die Unternehmen im Gegenzug keine Mitarbeiter entlassen“. Damit, so das Argument, erreiche man diejenigen, „die gesund sind und in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie wirtschaften können bzw. ihren Teil dazu beigetragen haben, das Funktionieren unseres Landes zu finanzieren“.
Probleme unabhängig von der Corona-Politik
Neben solchen Anmerkungen zu den damals beschlossenen Maßnahmen befinden sich in den Artikeln Erläuterungen zu Problemen, die in Deutschland unabhängig von der Corona-Politik existieren. Dazu zählen beispielsweise die vielen Auflagen, die seit Jahren anwachsen und zunehmend sowohl dem Mittestand das Leben schwer machen als auch Neugründungen erschweren. An solchen Stellen wird deutlich, welchen Einfluss der übersteigerte Moralismus und die woke Ideologie auf diese Entwicklung hat. Wer beispielsweise ein Restaurant eröffnen möchte, berichtet Adelmann aus eigener Erfahrung, müsse „gendergerechte Toiletten in ausreichender Anzahl bauen und den barrierefreien Zugang sicherstellen“. Hinzu kämen Zwangsauflagen zu Brandschutz, Schallschutz, Gaststättenverordnung und Gesundheitsschutz. Die Bürokratie, lautet die Schlussfolgerung, nehme Ausmaße an, die dem Standort Deutschland schaden.
Adelmanns Schilderungen decken sich überwiegend mit dem, was der ehemalige FDP-Abgeordnete Marcel Luthe in seinem Buch «Sanierungsfall Berlin» ausführlich darlegte. Eine Hauptstadt prägt immer das internationale Bild eines Landes. Wenn sich dort die Missstände häufen, sagt es viel über den Staat und dessen Gesellschaft aus. Und in Berlin nehmen die Missstände teilweise groteske Züge an, wie der Autor an dem Aktionismus grüner Politik veranschaulicht, die zwar alles dafür tut, damit die Bürger das Privatauto stehenlassen, es aber nicht hinbekommen, dass der öffentliche Nahverkehr funktioniert. Würde dieser „rund um die Uhr überallhin fahren“, schreibt er im sarkastischen Ton, „oder würden wenigstens die Fahrstühle funktionieren, könnte sich der Verzicht auf Motorfahrzeuge für einige durchaus lohnen“.
Obwohl sich Adelmann in seinen Beispielen auf die Hauptstadt bezieht, lassen sich die Fehlentwicklungen auf die ganze Bundesrepublik übertragen. Verschwendung von Steuergeldern, nachlässige Strafverfolgung, juristische Trägheit, lange Bearbeitungszeiten bei Behörden – der Autor streift in seinem Buch sämtliche Problemfelder und zeichnet ein trauriges Bild einer Nation, die einst führ ihre Effizienz, Leistungsstärke und Innovationskraft bewundert wurde, mittlerweile aber international in der zweiten Liga spielt. Bezeichnend dafür sei die deutsche Politik, die Adelmann nicht weniger bissig zu beschreiben weiß: „sich selbst ein Gesetz geben mit eigens ausgerechnetem Zeitlimit und dann nur im Umfang eines Fünftels an die eigenen Regeln halten. Aber hierzulande ist diesen Leuten ja nichts mehr peinlich.“ Und das ist vielleicht das größte Problem.