Kroatien – ohne G

ein Erfahrungsbericht von Eugen Zentner

Lesedauer 5 Minuten
© Eugen Zentner

Die G-Regeln sorgen in Deutschland schon seit geraumer Zeit für Aufregung. Dem offiziellen Narrativ nach sollen sie dazu beitragen, die Verbreitung des Corona-Virus zu minimieren. Inoffiziell handelt es sich aber um eine wirksame Methode, mit der die Politik impfunwillige Bürger mürbe zu machen versucht. Ihnen soll der Zugang zum öffentlichen Leben Schritt für Schritt erschwert werden, bis sie ihre kritische Haltung aufgeben.

Während die G-Regeln in Deutschland die gesellschaftliche Spaltung weiter vorantreiben, wissen die Menschen in anderen Ländern überhaupt nicht, was damit gemeint ist – in Kroatien zum Beispiel. Anders als hierzulande muss man dort lange suchen, bis sich ein Testzentrum ausfindig machen lässt. Das hat einen guten Grund: Wer in Kroatien eine Bar, ein Kino oder ein Fitnessstudio besuchen möchte, braucht weder einen Impfnachweis noch einen negativen Corona-Test. Einheimische können daher erst gar nicht das Bedürfnis entwickeln, so eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Die wenigen Testzentren richten sich daher ausschließlich an Touristen. Als ein solcher habe ich das Land einen Monat lang bereist und mit eigenen Augen gesehen, dass das gesellschaftliche Leben auch ohne G-Regeln funktioniert. Es kommt weder zu einer Überlastung des Gesundheitssystems, noch stapeln sich auf den Straßen Leichenberge.

Sperrstunde für die Gastronomie

Kroatien gilt nicht einmal als Risikogebiet. Das Virus scheint dem Staat an der Adria wohlgesonnen zu sein – zumindest bis Mitternacht. Dann müssen nämlich alle Einrichtungen schließen. Das ist wohl die einzige Corona-Maßnahme, die konsequent umgesetzt wird, während man bei der Maskenpflicht gerne ein oder sogar beide Augen zudrückt. In der Innengastronomie ist es völlig unüblich, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Kleine Schilder an der Glastür weisen zwar darauf hin, doch befolgt diese Regel so gut wie niemand. Wenn Gäste auf der Terrasse sitzen und plötzlich ihr Geschäft erledigen müssen, setzen sie nicht eine Maske auf, um die wenigen Meter bis zum stillen Örtchen zu laufen. Solche hierzulande typischen Szenen erlebt man in Kroatien nur, wenn deutsche Touristen die Toilette ansteuern.

Ob die Mund-Nasen-Bedeckung im Innenbereich tatsächlich eine Pflicht ist, lässt sich nur schwer ermitteln. Der Hinweisaufkleber an den Glastüren wirkt mehr wie ein Relikt aus der Lockdown-Zeit. Die einheimischen Gäste ignorieren ihn jedenfalls völlig, und auch die Kellner erwecken den Eindruck, als trügen sie die Maske aus Gewohnheit, die allmählich verblasst. Bei einigen sitzt sie unter der Nase, bei anderen hängt sie am Kinn oder wie eine Fliege um den Hals. Nicht wenige verzichten auf sie sogar vollends. Und die Ordnungsbehörden scheint es wenig zu interessieren. Sie greifen überhaupt nicht ein. Anders sieht es hingegen bei der Umsetzung der Sperrstunde aus. Sobald es 24.00 Uhr geschlagen hat, gerät das Gastronomiepersonal geradezu in Panik. Die Gäste werden teilweise sehr rabiat gedrängt, das Lokal zu verlassen – immer mit dem Verweis, dass ansonsten die Polizei komme.

Ungewissheit und recht verhaltene Kritik

Gastronomen, die gegen sie verstoßen, müssen damit rechnen, die Konzession zu verlieren. Die ab Mitternacht um sich greifende Angst ist eine ökonomische, keine epidemiologische. Sie wäre auch wenig begründet angesichts der Verhältnisse vor der Sperrstunde. In den Bars und auf den Plätzen davor herrscht buntes Treiben. Die Menschen tanzen dicht an dicht, liegen sich in den Armen und trinken aus denselben Gläsern. Eine Ansteckungsgefahr sieht hier keiner – auch die Ordnungsbehörden nicht. Warum sich das nach Mitternacht ändern sollte, leuchtet den Touristen genauso wenig ein wie den Einheimischen. Wenn man sich mit ihnen unterhält, machen sie sich über die Unsinnigkeit solcher Regeln lustig.

Zwar gibt es schon auch Menschen, die selbst im Freien eine Maske aufsetzen, doch der größte Teil der Bevölkerung hat die anfängliche Angst vor dem Virus abgelegt. Was die Bürger dort viel mehr beschäftigt, sind die Folgen der Maßnahmen-Politik. Die Verbraucherpreise stiegen beinahe wöchentlich, sagte mir meine Gastgeberin. Nicht weniger negativ wirkten sich die Maßnahmen auf das Kulturleben aus. Großveranstaltungen wie Konzerte seien weiterhin verboten. Wann sich das ändern wird, wagt keiner zu prognostizieren.

Diese Ungewissheit macht sich in den Gastronomiebetrieben bemerkbar. Selbst in touristischen Zentren wie Split oder Dubrovnik findet man allenfalls eine Handvoll Lokale, in denen Live-Musik gespielt wird. Auch die Straßen-Künstler zeigen sich eher zurückhaltend. Oftmals handelt es sich sogar um Musiker aus dem Ausland, die in den engen Gassen oder an der Promenade für Stimmung sorgen. Während sie eine energetische Show bieten, treten einheimische Musiker eher dezent auf. Genauso wenig Temperament legen sie in der Auseinandersetzung mit der Corona-Politik an den Tag. Der große Aufschrei bleibt aus, obwohl der wirtschaftliche Druck wächst und die Absurdität mancher Maßnahmen offensichtlich ist.

Keine große Impfbegeisterung

„Wir sind nicht die großen Rebellen“, sagte mir eine Frau, mit der ich mich über dieses Thema unterhalten habe. Der Widerstand zeige sich eher in den Alltagshandlungen. Deutsche Touristen werden diese Art des zivilen Ungehorsams schnell feststellen, wenn sie kleine Läden besuchen, größere Passagen betreten – oder mit dem Fernbus durch das Land reisen. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass die Fahrer anfangs scheinbar pflichtbewusst eine Maske aufsetzen und bei der Ticketkontrolle die Gäste ebenfalls darauf aufmerksam machen, fünf Minuten später aber den Mund-Nasen-Schutz absetzen und sich auch nicht mehr dafür interessieren, ob die Passagiere diese Regel weiterhin befolgen.

Die gleiche Nonchalance legen die Kroaten bei dem Thema Impfung an den Tag. Während fast alle Touristen, mit denen ich darüber sprach, ihre zwei Dosen bereits bekommen haben, traf ich keine Einheimischen, die sich dafür erwärmen konnten. Dementsprechend gering fällt in dem Land die Impfquote aus. Großen Druck scheint es nicht zu geben. Während meines Aufenthalts geht sogar ein Video des kroatischen Präsidenten Zoran Milanovic viral, in dem er die Impfhysterie kritisiert. Auf den Vorwurf hin, dass die Quote im Vergleich mit dem EU-Durchschnitt sehr niedrig sei, ging er sogar in die Offensive. Es sei ihm egal, so das Staatsoberhaupt: „Wir sind ausreichend geimpft, wir werden nicht über 50 Prozent hinausgehen.“

Am Ende alles eine Frage des Geldes

In dieser eher passiven Haltung der Regierung ist auch der Grund, warum es keine G-Regeln gibt. Hätte der Staat sie eingeführt, würden große Teile der Bevölkerung auch sie befolgen – gar keine Frage. Sie würden sich in größerem Maße testen und impfen lassen, um ja keine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nachteile zu erleiden. Das kann man vor allem aus ihrem Verhalten bei der Umsetzung der Sperrstunde schließen. Dass es in Kroatien keine G-Regeln gibt, liegt nicht an dem ausgeprägten zivilen Ungehorsam der Bürger, sondern an den fehlenden finanziellen Mitteln des Staates, eine solche Infrastruktur aufzubauen. Corona-Tests kosten Geld – genauso wie digitale Tools, mit denen sich der Impfstatus in öffentlichen Einrichtungen kontrollieren lässt. Dieses Geld können nur Staaten aufbringen, die üppige Steuereinnahmen aufweisen – wie Deutschland zum Beispiel.

Kroatien kann es sich hingegen nicht leisten, die Kosten für alle Schnelltests zu übernehmen. Ihre Abwälzung auf die Bürger würde ebenfalls kaum funktionieren, weil diese ohnehin wenig Konsumkraft haben. Bevor sie mehr als zehn Euro für einen Test bezahlen, um am öffentlichen Leben teilzunehmen, bleiben sie lieber zu Hause. Aufgrund des fehlenden Wohlstands passiert das größtenteils bereits jetzt – ohne 3-G-Regeln. Bliebe noch die dritte Möglichkeit: Einzelhandel und Gastronomie schließen – so wie zu Beginn der Lockdown-Politik. Doch dann würde die Wirtschaft gänzlich kollabieren. Also geht alles seinen sozialistischen Gang wie vor der Corona-Zeit – nur mit einigen wenigen Einschränkungen. Und es funktioniert, selbst ohne 3-G-Regeln.

© Eugen Zentner
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