Die Würde des Menschen ist testbar

von Eugen Zentner

Lesedauer 4 Minuten
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Seit dem 11. Oktober sind die kostenlosen Corona-Bürgertests Geschichte. Wer jetzt den Gesundheitsstatus mit einem negativen Befund beweisen möchte, muss in die eigene Tasche greifen. Das hat Vor- und Nachteile, wobei Letztere aufgrund des fortschreitenden 3-G-Regimes überwiegen. Wenn die sogenannten Corona-Schnelltests von nun an Geld kosten, werden sich Ungeimpfte zwei Mal überlegen, ob sie diese Dienstleistung in Anspruch nehmen, nur um eine Kneipe oder ein Theater zu besuchen. Das dürfte zur Folge haben, dass die ominösen Fallzahlen, mit denen seit Beginn der Krise die strengen Maßnahmen begründet werden, nach und nach sinken. Da sich die Tests, wie schon der Erfinder des PCR-Verfahrens Kary Mullis sagte, nicht für die Diagnostik eignen, ist deren Reduktion nur zu begrüßen.

Allerdings gibt es Bevölkerungsgruppen, die sich zwar nicht freiwillig testen lassen wollen, es aber aufgrund der geltenden 3-G-Regeln müssen. Das gilt beispielsweise für Reisende. Hier handelt es sich immerhin um das Grundrecht auf Freizügigkeit, das Ungeimpfte seit dem 11. Oktober für knapp 13 Euro erwerben können. Wer im Ausland Verwandtschaft oder gar einen Partner hat, ist nun genötigt, das Budget etwas auszureizen. Freizeitreisen werden auf diese Weise teurer, genauso wie Berufsreisen, auf die unter anderem die stark gebeutelten Künstler angewiesen sind. Als besonders pikant erweist sich in diesem Zusammenhang die fehlende Deckelung der Kosten. Die Angebote divergieren so stark, dass man sich bisweilen die Augen reiben muss. Am Flughafen Nürnberg soll ein Antigen-Schnelltest sogar 160 Euro kosten. Wer aus Zeitgründen erst hier ein negatives Ergebnis erwerben kann, zahlt für einen Flug Wucherpreise.

Doch es sind nicht nur die Reisenden, denen die kostenpflichtigen Corona-Tests wachsende Kosten aufbürden. Zu den Leidtragenden gehören auch die Studenten. Wollen sie aus dem digitalen Raum ausbrechen und wieder an einer Präsenzveranstaltung teilnehmen, müssen sie sich testen lassen. Angesichts ihrer ohnehin prekären finanziellen Lage wirken die Kosten abschreckend – zumindest in einigen Bundesländern. Mehr Glück haben da die Thüringer Studenten. Diese können sich auf die sogenannte Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundes stützen, die auch auf Unfallversicherte wie sie angewendet wird, obwohl sie keine Beschäftigten sind. Deswegen bekommen Studierende in Thüringen die Möglichkeit, sich zwei Mal pro Woche kostenlos testen zu lassen. Die Durchführung soll möglichst vor Ort erfolgen.

Die Würde des Menschen ist testbar

Skurril mutet hingegen die Regelung an, dass die gleichen Studenten für ihre Tests bezahlen müssen, wenn sie außerhalb des Universitätsbetriebs am öffentlichen Leben teilnehmen wollen. Wer also mehrere Tage am Stück keine Vorlesung, in dieser Zeit aber abends eine Bar besuchen möchte, muss eben einen Extra-Obolus entrichten. An solche Absurditäten dürften sich die Menschen während der Corona-Krise gewöhnt haben. Dennoch gibt es immer wieder eine Steigerung, wie solche Regelungen deutlich machen. Sie tasten zunehmend die Würde an. Wer sich nicht impfen lassen will, aber bestimmte Einrichtungen besuchen möchte, kommt sich aufgrund der höheren Kosten wie ein Mensch zweiter Klasse vor. Dieses Gefühl entsteht vor allem dann, wenn es um die Grundbedürfnisse geht. Auf ein Abendessen im Restaurant kann man noch problemlos verzichten – aber auf den Friseurbesuch?

Entwürdigend ist die neue Regelung für Menschen, deren Arbeitgeber einen negativen Corona-Nachweis verlangen, aber keinen kostenlosen Test anbieten. Die finanzielle Zusatzlast degradiert sie gegenüber den geimpften oder genesenen Kollegen. Hinzu kommt der zusätzliche Aufwand, den sie auf sich nehmen müssen, um ihrer Arbeit nachzukommen oder alltägliche Verrichtungen zu erledigen. Wer verreisen, in der Universitätsbibliothek studieren, wer seinen Beruf ausüben oder bloß eine Museumsausstellung besuchen möchte, muss nun nicht nur den Weg zur Teststation auf sich nehmen und für den ganzen Vorgang Zeit opfern, sondern auch noch größere finanzielle Lasten tragen. Die Würde des Menschen ist von nun an testbar, möchte man sagen.

Gesellschaftliche Spaltung wird vorangetrieben

Glücklicherweise sieht die neue Regelung Ausnahmen vor. Für Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, bleiben die Schnelltests kostenfrei – genauso wie für Schwangere und Kinder unter 12 Jahren. Und dann gibt es noch Ärzte wie Nicolai Savaskan aus Berlin-Neukölln, der, so sagte er der Deutschen Presse-Agentur an gebührenfreien Angeboten festhalten will, wenn Patienten ihre Bedürftigkeit nachweisen können. Doch das sind Ausnahmen, die nichts daran ändern, dass die neue Regelung für den Großteil der ungeimpften Bevölkerung zu einer finanziellen Bürde wird. Mit ihr wird die gesellschaftliche Spaltung weiter vorangetrieben. Während die bisherige Corona-Politik bislang bewirkt hat, Maßnahmen-Kritiker und -Befürworter in zwei Lager zu teilen, drängt die Kostenpflicht bei Schnelltests nun auch noch die ärmeren Bürger ins Abseits. Benachteiligt werden alle, die entweder wenig verdienen oder auf staatliche Zuwendungen angewiesen sind.

Ein Aufschrei in den Leitmedien bleibt trotzdem aus. Dabei sprechen sie so gerne von „Solidarität“ und gerieren sich als Stimme der sozial Schwachen. Nun gut, einmal mehr zeigt sich, dass es sich um Lippenbekenntnisse handelt. Wer zu den «Benachteiligten» gehört, entscheiden die Mainstream-Redaktionen selber – nach eigenen Moralvorstellungen und Glaubensgrundsätzen. In diesem Kosmos erweist sich die Impfbereitschaft als Gradmesser. Wer sie vermissen lässt, braucht nicht mit Solidarität zu rechnen. So sehen es auch Teile der Justiz – wie der Potsdamer Rechtswissenschaftler Thorsten Ingo Schmidt zum Beispiel, der die im August die Entscheidung für kostenpflichtige Corona-Tests mit dem folgenden Argument begrüßte: „Wenn ich mich dafür entscheide, mich nicht impfen zu lassen, muss ich auch die Konsequenzen und Einschränkungen meiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben tragen. Faktisch mag die Kostenpflicht für Tests ein Anreiz sein, sich impfen zu lassen.“

Impfpflicht durch die Hintertür

Aus den Worten des Juristen geht ganz deutlich hervor, was die neue Regelung eigentlich ist: eine Impfpflicht durch die Hintertür. Mit der eingeführten Kostenpflicht steigt der Druck auf «Impfunwillige» weiter an. Sie sollen mürbe gemacht werden, bis sich kein Widerstand mehr regt – eben weil die ständige Testerei finanziell belastend und entwürdigend ist. Wer sich ständig testen lassen und dafür Geld zahlen muss, während Privilegierten mit 2-G-Status überall kostenlos die Türen geöffnet werden, fühlt sich irgendwann minderwertig. Diesen Zustand halten nur die Wenigsten lange aus. Darauf belaufen sich auch die Spekulationen derer, die solche Regelungen beschließen. Deshalb sind sie weniger als Gesundheits-, sondern vielmehr als Zersetzungsmaßnahmen anzusehen.

Ein solches Vorgehen entspricht nicht dem Selbstverständnis eines freiheitlich-demokratischen Staates. Dass es auch anders geht, beweist Deutschlands Nachbar Dänemark. Dort begann die Regierung, die Maßnahmen schrittweise zurückzuführen, nachdem alle Menschen über 50 Jahren ein Impfangebot erhalten hatten. Mittlerweile gibt es so gut wie keine Einschränkungen mehr. Impfnachweise und Testergebnisse sind völlig obsolet geworden. Wer nach Dänemark fährt, findet eine Welt vor, wie man sie vor Corona kannte. Der skandinavische Staat setzt auf Selbstbestimmung und zeigt damit, wie wichtig Freiheitsrechte ihm immer noch sind. Daran sollte sich Deutschland ein Beispiel nehmen.

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