Der Garant des Rechtes

ein Kommentar von Rechtsanwalt und Steuerberater Christian Moser

Lesedauer 5 Minuten
1bis19-Der Garant des Rechtes
Der Rechtsphilosoph Gustav Radbruch, Autor des offenbar vergessenen Essays “Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht (1946)”

Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Der Volksmund weiß um die Freiheit des Richteramtes und dass man bei aller juristischen Kunst sich nie ganz sicher sein kann, wie der zuständige Richter den jeweiligen Fall bewerten wird.

In der Rechtspraxis gibt es gar nicht so viele Fragen, die als eindeutig geklärt gelten. Die allermeisten Fragen lassen verschiedene Meinungen zu, die üblicherweise in herrschende Meinungen und sogenannte Mindermeinungen gegliedert werden, die im Gegensatz zur herrschenden Meinung eben nur von einer Minderheit vertreten werden. Dazu kommt die Rechtsprechung, die ihrerseits selten einheitlich ist. Sogar die vereinheitlichende Rechtsprechung der Revisionsgerichte und des Bundesverfassungsgerichtes unterliegt einem ständigen Wandel. Die Gerichte haben dabei sowohl die Funktion, bereits abstrakt vorhandenes Recht zu finden, als auch durch eigene Entscheidungen neues Recht, sogenanntes Richterrecht, zu setzen.

Allein dieser grobe Überblick über die ineinandergreifenden Ebenen der Rechtswissenschaft zeigt, dass der Straftatbestand der Rechtsbeugung nur in einem ganz eng umgrenzten Rahmen angewendet werden kann. Die betreffende Norm des § 339 Strafgesetzbuch sieht demnach auch eine hohe Strafe von mindestens einem Jahr Haft vor und behandelt den Täter damit von vornherein als Verbrecher, was unterstreicht, dass nur in ganz herausragenden Fällen elementarer Schwere ein Richter sich nicht mehr auf die Freiheit seines Amtes berufen kann. Umgekehrt führen deshalb Befangenheitsanträge beispielsweise nicht zu einem Ermittlungsverfahren wegen versuchter Rechtsbeugung.

Wenn der Staat das Kindeswohl gefährdet

Nun ist aber der Weimarer Amtsrichter Christian Dettmar am 23. August 2023 von dem Landgericht Erfurt wegen angeblicher Rechtsbeugung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Urteilsspruch hat den Verlust seines Beamtenverhältnisses und seiner Pensionsbezüge zur Folge. Er ist damit als Verbrecher vorbestraft.

Dettmar hatte am 8. April 2021 einen Beschluss erlassen, mit dem er Kinder von der schulischen Maskenpflicht befreite, nachdem er zuvor Sachverständigengutachten eingeholt hatte, die nachwiesen, dass die Masken nicht geeignet waren, eine Ansteckung zu verhindern, dabei jedoch ihrerseits den Kindern Schaden zufügen.

Seine Entscheidung stützte er rechtlich auf § 1666 BGB, der ihm als Familienrichter die Möglichkeit gibt, Anordnungen gegenüber Dritten, die nicht die Eltern sind, zu erlassen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Er war nach Anrufung durch Eltern und Kenntnisnahme der von ihm eingeholten Sachverständigengutachten zu der Überzeugung gelangt, dass die schulische Maskenpflicht zu einer Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB führte und hatte daraufhin den Schulträgern untersagt, die Kinder zum Tragen von Masken zu verpflichten.

Beispiellose Vorgänge in Thüringen

Seine eigene juristische Verfolgung begann kurze Zeit später mit einer Durchsuchung seines Privathauses, was in der Rechtsgeschichte ein einmaliger Vorgang sein dürfte.

Die Staatsanwaltschaft und nunmehr das Gericht werfen ihm vor, sich wider das Recht für zuständig erklärt zu haben und dies aus der Motivation heraus, unbedingt zugunsten der Schüler die Maskenpflicht aufheben zu wollen. Er habe im Vorfeld angeblich nach geeigneten Antragstellern gesucht.

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht übersehen hier freilich, dass es für eine Rechtsbeugung nicht ausreicht, dass ein Richter möglicherweise schon im Vorfeld einer Verhandlung eine bestimmte Meinung zu dem betreffenden Thema hat. Realistisch betrachtet dürfte dies der Normalfall sein. Auch führt es nicht zur Rechtsbeugung, wenn ein Richter den Wunsch hat, eine bestimmte Rechtsfrage zu klären. Solange er in der Sache eine feste Überzeugung hat, die nicht völlig unvertretbar erscheint, kann er sich um jedes Verfahren bemühen, wenn er es nur in zulässiger Weise entscheidet.

Und hier ist der eigentliche Streitpunkt in dem Strafverfahren. Staatsanwaltschaft und Gericht stellen sich auf den Standpunkt, dass Dettmar als Familienrichter in dieser Sache gar nicht zuständig gewesen sei, die Verfahren willkürlich in seine Zuständigkeit gezogen habe. Nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Gericht hätte die Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen ausschließlich mittels eines Anfechtungsverfahrens gegen die Maskenverordnung und damit vor dem Verwaltungsgericht entschieden werden dürfen. Jenes öffentlich-rechtliche Verfahren sei vorrangig und schließe die Anwendung des § 1666 BGB und damit die Zuständigkeit des Familiengerichtes aus.

Brachiale Einschüchterung des Richterrechts

Diese Auffassung von Staatsanwaltschaft und Gericht kann man vertreten und hat auch die Rechtsmittelinstanz vertreten, die Dettmars Urteil wieder aufhob. Nur reicht die Vertretbarkeit dieser Rechtsauffassung nicht aus, um Dettmar wegen Rechtsbeugung zu verurteilen. Dazu hätte die Zuständigkeit des Familiengerichtes unvertretbar sein müssen. Das ist sie aber nicht. Bis zu dem inkriminierten Beschlusse war in Rechtsprechung und Literatur die Frage, ob § 1666 BGB in solchen Fällen anwendbar sein kann, völlig offen.

Damals schlug der ehemalige Familienrichter Hans-Christian Prestien ebenfalls ein Vorgehen der Eltern nach dieser Norm vor und stellte hierzu vereinfachende Antragsformulare zur Verfügung. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie wir damals – 2020/21 – im Vorstand der Anwälte für Aufklärung e. V. darüber diskutierten, ob und inwieweit diese Formulare sinnvoll sein könnten. Auch wir hatten damals die Auffassung, dass die Anwendbarkeit des § 1666 BGB sehr gut vertretbar sei, Bedenken gab es nur dahingehend, dass der Rückgriff auf Formulare den Einzelfällen nicht genug Rechnung tragen könne.

Bis zum Beschluss des Familienrichters Dettmar vom 8. April 2021 war die Anwendbarkeit des § 1666 BGB auf schulische Maskenpflicht also eine offene Frage, die eben durch ihn zu entscheiden war. Wenn andere Instanzen eine andere Auffassung hatten, so war es an ihnen, den Beschluss wieder aufzuheben. Dies ist der normale Gang der eingangs angesprochenen richterlichen Rechtsfortbildung, die sich in diesem nicht auszulegenden, sondern zu entscheidenden Falle als Richterrecht darstellt.

In Anbetracht dessen und eingedenk der mittlerweile in die Allgemeinheit vorgestoßenen Erkenntnis, dass die Einstellung der Maskenpflicht des Kindeswohles wegen geboten war, ist nur zu leicht erkennbar, dass das brachiale Vorgehen gegen Dettmar, das in der deutschen Nachkriegsjustiz seinesgleichen sucht, den Sinn hat, jegliche rechtliche Aufarbeitung der seinerzeitigen Corona-Maßnahmen zu unterbinden, um die damaligen Entscheidungsträger zu schützen. Offensichtlich schrecken dabei die stromlinienförmigen Juristen nicht vor massivster Einschüchterung zurück.

Christian Dettmar als Garant des Rechtes

Das lässt nichts Gutes ahnen. Im Zusammenwirken mit dem Vorgehen der Justiz gegen die kritische Ärzteschaft in ganz Deutschland, insbesondere derzeit gegen den Arzt Heinrich Habig aus Recklinghausen, der wegen des Vorwurfes, falsche Corona-Injektionszertifikate ausgestellt zu haben, seit über einem Jahr im Gefängnis sitzt, wird immer mehr deutlich, dass die Justiz in Deutschland eben nicht frei ist, sondern da, wo es um das Schlafittchen der Regierungsmitglieder geht, mit unerbittlicher Härte gegen Kritiker vorgeht, selbst dann, wenn sie dabei die Existenz der eigenen Kollegen vernichten muss. Das wirkt.

Dem Vertrauen in die deutsche Justiz dient dieses Verhalten freilich nicht und wird die Bürger immer weiter von dem Rechtsstaat entfernen, nein, nicht die Bürger vom Rechtsstaat, sondern den Rechtsstaat von den Bürgern.

Was aber sollen die Bürger dann tun? Jeder muss für sich beantworten, wie weit er sich zur Erhaltung des Rechtsstaates engagieren kann. Wenn der Bürger aber erst vor dem falschen Richter steht, dann ist es in aller Regel bereits zu spät.

Was hätte Christian Dettmar tun sollen? Er hätte sich seine Existenz erhalten, wenn er damals nicht das Risiko zugunsten der Kinder eingegangen wäre, ein Urteil zu treffen, von dem er ausgehen musste, dass es bei der Regierung nicht auf Gegenliebe stoßen würde. War seine Entscheidung deshalb unklug?

Auf keinen Fall! Wie weit die Justiz in ihrer Repression gehen würde, das hat sich erst anhand seines Falles und der darauffolgenden Übergriffe andernorts gezeigt. Er hat die von oben betriebene Demontage unseres Rechtsstaates offengelegt und der Gewaltherrschaft der Corona-Maßnahmen buchstäblich die Maske vom Gesicht gerissen. Das war nicht bloß eine private Entscheidung, sondern seine Pflicht. Als Richter war Christian Dettmar Garant des Rechtes. Das gilt für jeden Richter in unserem Lande, aber nicht jeder hat seinen Mut.

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Ein Kommentar

  1. Falls man will, dass Recht etwas mit Vernunft und Logik zu tun hat, dann muss man aus meiner Sicht einen Schritt zurücktreten und sich fragen, ob es so etwas wie eine unvertretbare Anmaßung der Zuständigkeit überhaupt geben kann.

    Wenn man an das Grundgesetz glaubt, dann muss man das aus der Perspektive des Bürgers betrachten. Aus dieser Sicht muss es einen gesetzlichen Richter geben, der eine strittige Sache entscheiden muss und der sich dieser Aufgabe nicht entziehen können darf. Der Kläger, der eine Klage einreicht, wählt damit das Gericht aus, das er für zuständig hält und das Gericht muss dann von Amts wegen prüfen, ob es auch zuständig ist und muss das Verfahren ggf. an ein anderes Gericht weiterleiten. Aus der Sicht des Bürgers ist dabei in erster Linie relevant, ob das dann zuständige Gericht einen Ermittlungsauftrag hat oder der Beibringungsgrundsatz gilt.

    Sofern der Bürger auf die Kompetenz der Gerichte vertrauen kann, könnte es ihm im Grunde egal sein, welcher Richter über die Klage entscheidet. In den meisten Fällen sind ihm die Richter vor dem Verfahren unbekannt.

    Aus der Sicht des Staates sieht die Sache allerdings ganz anders aus, weil nämlich die Richter für die unterschiedlichen Gerichte ganz unterschiedlich ausgewählt werden. Leider spielt dabei aber ihre Kompetenz offenbar eine untergeordnete Rolle, sondern es kommt wohl mehr auf politische Linientreue an. Anders kann man das Unrecht, was in Thüringen passiert ist, nämlich nicht erklären.

    Herr Dettmar hat einen Weg gefunden, wie er das perfekt vorbereitete Scheinrechtssystem unterlaufen konnte und zwar genau deswegen, weil er ein sehr kompetenter Jurist ist und weiß, wie man zu unangreifbaren Entscheidungen kommt. Es war unbedingt notwendig, dass das ein Richter einmal so offen darlegt. Die Bürger, die vor Gericht recht suchen, haben dazu nämlich keinerlei Möglichkeit. Nur die Richter können offenlegen, dass die Justiz ein vollkommen undemokratisches Scheinrechtssystem ist und Herr Dettmar wurde dafür bestraft, dass er es offen gelegt hat. Er sollte diese Strafe als besondere Ehre ansehen.

    Was aus meiner Sicht allerdings in höchstem Maße problematisch ist, ist die Tatsache, dass die Entscheidung nur mit der Begründung, er sei nicht zuständig gewesen, wieder aufgehoben wurde. Dass das möglich war, liegt an einem juristischen Trick, der wenn er von den Juristen angewandt wird, zu großem Schaden bei den Rechtssuchenden führen kann. Der Trick besteht darin, dass die Juristen entschieden können, dass die Entscheidungen der einen Gerichtsart für ein Gericht der anderen Art nicht maßgeblich ist.

    Durch diesen Trick, musste sich das Verwaltungsgericht inhaltlich mit der Entscheidung von Herrn Dettmar nicht mehr auseinandersetzen, sondern konnte urteilen wie es wollte. Juristen sind Meister darin, sich auf Kosten und zum Schaden der Rechtssuchenden in unredlicher Weise Freiheiten zu verschaffen.

    Das Ergebnis dieser ganzen Trickserei ist nun, dass eine sachlich richtige Entscheidung durch eine sachlich falsche Entscheidung ersetzt wurde und ein für alle Mal klar gestellt ist, dass Familienrichter Kinder nicht vor der Übergriffigkeit durch den Staat schützen dürfen. Am Ende muss man aber noch denjenigen, der diese ganzen schweren Missstände in die Öffentlichkeit gebracht hat, schwer bestrafen, denn wenn man das nicht täte, wäre das Unrecht nicht perfekt.

    Ich bin mir sicher, dass Herr Dettmar für seine persönliche Entwicklung dieses Gerichtsverfahren nicht gebraucht hat, dann das Verfahren hat bewiesen, dass er ein sehr umsichtiger Richter ist. Den Vertretern der Staatsanwaltschaft und den Richter würde ich allerdings wünschen, dass auch gegen Sie mal so vorgegangen wird, damit sie ganz physisch begreifen, wie es ist, wenn man der Opfer eines unfairen Verfahrens ist.

    Ich würde Herrn Dettmar im Übrigen wünschen, dass er durch das Verfahren keinen persönlichen Schaden nimmt.

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