ein Beitrag von Thomas Siebert und Katja Leyhausen

Lesedauer 7 Minuten
1bis19-der Anschlag
Landgericht Frankfurt © Dontworry

„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. So lautet der erste Satz in Art. 2 GG (Grundgesetz). Es gibt ein Recht auf den eigenen Körper. Es gibt ein Grundrecht gegen Zwangsimpfungen, und seien sie noch so gut gemeint. Das, was der aktuelle Gesetzgeber plant, ist kein zulässiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Es ist ein offener Anschlag auf die Verfassung.

Wir reden hier nicht darüber, ob diejenigen, die unbedingt impfen wollen, es wirklich gut meinen. Wir reden nicht darüber, ob sie eigentlich damit Geld verdienen wollen. Wir reden auch nicht darüber, welchen Zweck dieses Mittel heiligen soll und ob der Zweck mit dem Mittel der Impfung erreichbar wäre. Das müsste man natürlich tun. Wer allerdings immer noch glaubt, dass der Zweck der Pandemiebekämpfung mit dem Mittel der Impfung erreichbar wäre, der kann die jüngste Geschichte Australiens studieren: Alle Pläne der australischen Regierung endeten im Nichts der Zwecklosigkeiten. Recht ist sowieso zweckfrei, es ist ein Selbstzweck und wird nicht anderen Zwecken untergeordnet. Dieser Gedanke des Rechts als Selbstzweck ist kurz und unbedingt.

Rechte als Machtinstrument vs. Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat

Reden wir hier also kurz und thesenartig über Rechte und Grundrechte. Beide sind nicht immer leicht auseinanderzuhalten. Rechte – und damit vor allem Pflichten – sind ja immer schon da. Am Anfang war kein Unrecht, auch wenn man vielleicht diesen Eindruck hat. Denn die Rechte setzt und gewährt, wer herrscht. Er – und das waren fast ausschließlich Männer – möchte nicht fortlaufend mit dem Schwert herumlaufen und Köpfe abschlagen. Erst das Recht sichert ihm die Macht, und deswegen setzte er es ein. Dabei muss das Recht aber eine gewisse Distanz zur Macht halten, sonst würde man ja gleich das Schwert erkennen, mit dem Köpfe abgeschlagen werden.

Nun hat es in der Geschichte der Rechte einige wenige Staaten gegeben, in denen diese Rechte, die als Machtinstrument dienen, durch Grundrechte begrenzt wurden. Vielleicht lag das daran, dass die jeweils Regierenden schwach waren. Jedenfalls wollten diejenigen, die ihren Kopf für den Staat hinhalten sollten und dazu auch noch Geld bezahlen mussten, nicht alles hinnehmen müssen. Daher kam der Gedanke der Grundrechte: Die ersten Grundrechte waren darauf gerichtet, nicht der Willkür des Herrschers ausgeliefert zu sein. Sie wurden geschaffen, damit man nicht nach Bedarf und Geschmack der Regierenden inhaftiert, körperlich misshandelt oder getötet werden kann, damit man vielmehr die Rechte am eigenen Körper für sich behält. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit steht ganz oben in allen Versuchen, die Übergriffe des Staates zu begrenzen. Es ist ein Abwehrrecht gegen staatlichen Zugriff. Aber wir erleben, dass man das Gegenteil daraus machen will.

Teilhaberechte vs. Abwehrrechte

Dieser Versuch hat Geschichte. Im Laufe der Staatenentwicklung und des Wachstums menschlicher Gemeinschaften erfand man zu den Abwehrrechten noch weitere Grundrechte. Man erfand das, was man “Teilhaberechte” nennt oder auch “Leistungsrechte”. Teilhaberechte sind gut gemeint, denn sie zielen auf die Gleichheit der Staatsbürger. Einschlägig bekannt ist der Spruch von Anatole France, der heißt: Wenn Gleichheit herrschen soll, dann verbietet es das Recht den Reichen wie den Armen gleichermaßen, unter der Brücke zu schlafen, auf der Straße zu betteln und Brot zu stehlen. Das alles nur einigen von ihnen zu erlauben – den Armen beispielsweise – das wäre genauso ungerecht wie das staatliche Gebot an sie, sich mit einem Schlafplatz unter der Brücke begnügen zu müssen und Brot nur nach Zuteilung zu bekommen.

Wir wollen also mehr: Wir wollen einerseits die Abwehr gegen ungerechten staatlichen Zugriff, aber wir wollen auch die Herstellung gerechter Lebensverhältnisse. In der Rechtsgeschichte kam diese Forderung nach Gleichheit und Gerechtigkeit spät, erst in der rechtlichen Moderne nämlich: Gerechtigkeit soll heißen, dass alle an allem teilhaben können. Aber was “teilhaben” heißt, das bestimmt im Teilhabestaat der Staat selbst. Es ist der Staat, der jetzt schon seine Bürger in G-Klassen einteilt und der weitere Untereinteilungen und Zusatzvoraussetzungen plant. Die Zwangsimpfung ist bei diesen Planungen nur ein kleiner Merkposten. Vorläufig sagt niemand, wie klein die Rolle dieses Postens in der staatlichen Planung wirklich ist. Wenn es aber ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gibt, an dem alle teilhaben, dann kann es nicht Aufgabe des Staates sein, dessen Reichweite zu bestimmen. Es gibt einen Kernbestand eines jeden Rechtes. Der Staat darf nicht auf alles zugreifen. Er darf nicht den Bestand eines Grundrechts dahingehend aushöhlen, dass er nur irgendeinen Grund anführen muss, um aus diesem Recht sein ganzes Gegenteil zu machen: Er darf daraus nicht die Pflicht machen, sich zu opfern.

Impfen für die allgemeine Wohlfahrt? Grundrechte sind Minderheitenrechte

Doch genau das versucht der Staat gerade. Zum Grundbestand der körperlichen Unversehrtheit gehörte es in der Tradition der Grundrechte, über seinen eigenen Körper selbst bestimmen zu dürfen. Weder muss man sich vom König Beliebiges antun lassen noch muss man nach Befehl des Königs sterben. Das war die Geburtsstunde der Grundrechte, die man auf 1689 oder 1776 verlegen kann (mit der Bill of Rights in England bzw. in den Vereinigten Staaten). Gegen die Willkür und Beliebigkeit des Herrschers sollten unveräußerliche natürliche Rechte jedes Menschen treten. Sie zu wahren sollte die erste Aufgabe staatlicher Macht sein.

Aber jetzt geschieht etwas Neues. Jetzt stellen wir uns den König als weisen Herrscher und den Staat als guten Wohlfahrtsgaranten vor. Alle haben immer nur allerbeste Absichten! Wie könnte es da sein, dass der König und seine Berater jedem Menschen unveräußerliche Rechte wegnehmen würden? Was die gute Regierung wegnimmt, das wird immer verzichtbar sein. Die Impfung ist nur der berühmte kleine Pieks: Er mag vielleicht im Moment etwas unangenehm sein, doch insgesamt dient er der Teilhabe aller an allgemeiner Wohlfahrt.

So lautet die große Erzählung: Die vernünftige Mehrheit, die sich bereits hat impfen lassen – wenn auch vielleicht nicht freiwillig, soll wieder alles dürfen, was sie möchte. Sie soll nicht von einer Minderheit der Unwilligen tyrannisiert werden. Dabei sind Grundrechte aber natürlich keine Mehrheitsrechte. Denn bei demokratischen Wahlen holt sich die Mehrheit die Macht im Staat sowieso. Demokratische Grundrechte wurden als Minderheitenrechte geschaffen, damit nicht eine demokratische Mehrheit Rechte als Machtinstrument missbraucht wie ein tyrannischer König.

Wohlfahrtsstaat und Guillotine

Man muss in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass es einen Wohlfahrtsstaat, der Abwehrrechte und Minderheitenrechte missachtet, schon gegeben hat. Dieser Staat hat damals, zum Zwecke der allgemeinen, gleichen und möglichst schmerzlosen Tötung, die Guillotine entwerfen und kräftig arbeiten lassen. Das war in den Jahren nach 1789 in Frankreich: Ein sogenannter “Wohlfahrtsausschuss” herrschte dort und eine sich selbst so verstehende radikale Linke. Robespierre war ihr Anführer, ihm ging es um demokratische Tugenden. Sein Hauptziel und sein Tugendverständnis bestanden darin, das öffentliche vor das individuelle Interesse zu stellen. Dieser Robespierre findet in der Geschichte der Staaten immer wieder Nachfolger: Machthaber, die zweckmäßige Gründe hervorzaubern, um Grundrechte in das zu verkehren, was ihnen gerade nützlich zu sein scheint.

Verkehrung der Grundrechte in ihr Gegenteil

Die Verkehrung der Grundrechte in ihr Gegenteil hat also Tradition. Und diese Tradition besteht nicht darin, Grundrechte abzuschaffen, sondern sie besteht darin, Grundrechte so zu interpretieren, dass sie angeblich dem Gemeinwohl dienen. Genau das geschieht gerade in diesem Moment, wo besondere wie allgemeine Impfpflichten propagiert werden. Die Propagandisten, die damit durchs Land ziehen, führen das Grundrecht der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit im Munde, und sie interpretieren ihren vollen Mund nach Geschmack. Es ist der Geschmack der Staatsmacht, die sich allgemeine Wohlfahrt auf die Fahne geschrieben hat und die definiert, worin diese Wohlfahrt besteht. Es ist der hemmungslose Übergriff in höchstpersönliche Rechtsgüter, der zu alldem noch als Ergebnis einer Abwägung bezeichnet wird. Charakteristisch ist, dass sich auch heute wieder Juristen und Ethikerinnen finden, die Robespierres Terror als allgemeine Tugend ausgeben.

Juristen als Wende-Experten

Ein besonderes Wort soll hier nur die Juristen betreffen. Über die historische Funktion von Hochschullehrern des Rechts, von obersten Richtern und Strafverfolgern heißt es: Juristen sind Wende-Experten. Wenn ein staatliches Bedürfnis auftaucht, kann man sie dafür bezahlen, es durch Interpretation zu befriedigen. Neuerdings genügt auch eine Einladung zum Abendessen ins Kanzleramt, obwohl es natürlich nicht so ist, dass oberste Richter ohne solch eine Einladung Brot stehlen müssten. Juristen wissen sowieso immer schon ganz gut, welche Bedürfnisse die Staatsmacht gerade hat. Weil sie es gelernt haben, sich zu wenden und sich an diese Bedürfnisse zu halten, können sie auch ohne Gewissensbisse dem neu einberufenen Impf-Wohlfahrtsausschuss dienen.

Schon zu Zeiten der Französischen Revolution war es so, dass die anderen, die ihren Körper und ihr Leben einfach nur behalten wollten, weniger schick und weniger nachgefragt waren. Diese Juristen äußerten sich auch nicht, denn solche Äußerungen galten als “rechts”. Damals, im französischen Konvent, wurde dieser Ausdruck zum politischen Fahnenwort: Als radikale Rechte wurden auf einmal diejenigen beschimpft, die ihren Körper dem Staat nicht zur Verfügung stellen.

Radikale Rechte

Wie immer sind solche Bezeichnungen wunderbar doppelsinnig, denn radikale Rechte sind Grundrechte. Radikale Rechte bestehen darin, den Staat radikal abwehren zu können, selbst wenn es dessen allgemeinen und irgendwie gutgemeinten Wohlfahrtsgedanken widerspricht. Es gibt ein radikales Recht auf den eigenen Tod. Kurz vor der großen Wende, die wir gegenwärtig erleben, konnte das Bundesverfassungsgericht dieses Recht noch feststellen – sogar gegen den erklärten Willen der wohlmeinenden Regierung. Im Februar 2020 hat dieses Gericht festgestellt, dass man sich selbst das Leben nehmen darf – auch wenn Ethikerinnen das nicht gerne hören. Im Übrigen darf man auch allerlei ungesunde Lebensweisen beibehalten, die vermutlich die Allgemeinheit wie das Gesundheitssystem schädigen, und nicht nur den Einzelnen. Immer noch darf geraucht werden, auch wenn dafür nicht mehr geworben werden darf. Immer noch darf Alkohol getrunken werden. Jetzt soll auch Hanf geraucht und konsumiert werden dürfen.

Wahrung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit nicht Impfzwang ist die Aufgabe des Rechtsstaats

Das ist gut so – kann man da aus dem Blickwinkel der radikalen Rechte nur sagen. Wenn jeder sein und jede ihr Geschlecht bestimmen können soll, dann darf man auch Haschisch rauchen und Schnaps trinken. Es gibt eben Bereiche der persönlichen Unverfügbarkeit, und die beginnen nicht erst im Angesicht der Guillotine – von der der französische Arzt und Experte, Monsieur Guillotin, damals sachkundig meinte, sie würde für alle auf die gleiche effektive Weise den Tod herbeiführen. Stoffe in sich bringen zu lassen, ist ein unverfügbares Recht, sogar gegenüber dem Straftäter. Wenn man Grundrechte ernst nimmt, dann hat man nicht darüber zu diskutieren, ob die Wahrscheinlichkeit, durch eine Impfung zu sterben oder großen Schaden zu nehmen, bei 1: 60.00, bei 1: 6000 oder bei 1: 600 liegt. Das kann jeder mit der medizinischen Autorität verhandeln, der er sich anvertrauen möchte. Aufgabe eines Staates, der die Grundrechte wahrt, ist es, den Übergriff auf solche Rechnungen überhaupt zu unterlassen.

Das alles wissen die Machthaber auch, und deshalb soll der Impfzwang möglichst nicht so heißen. Es soll bei dem fadenscheinigen Recht bleiben, eine Einverständniserklärung für die Impfung zu unterschreiben. Allerdings geht es um ein Einverständnis, das dem Einzelnen durch Zwangsgelder, Berufsverbote und öffentliche Ächtung abgepresst wird. Wie tief ist ein Staat gesunken, der sich demokratisch nennt und dessen liberaler Justizminister es wagt, einen solchen Beitrag zur Diskussion zu stellen. Es gibt dazu nur einen einfachen Satz, und man muss weder Jurist noch Justizminister sein, um ihn zu kennen:

Diese Zwangsimpfung ist ein fundamentaler Grundrechtsverstoß.

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