ein Beitrag von Eugen Zentner
Lesedauer 5 MinutenTeil 5/2 der kritischen Analyse zu den Mängeln und Fehlentwicklungen unseren freiheitlich-demokratischen Grundordnung heute – Teil 5/1 hier – Teil 4 hier – Teil 3 hier – Teil 2 hier – Teil 1 hier
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verliert heute immer mehr an Akzeptanz: Was als kritischer und pluraler Journalismus gestartet war, entwickelte sich bei näherem Hinsehen zu regierungstreuer Propaganda. Doch richtig augenfällig wurde diese Entwicklung in den Jahren der Corona-Maßnahmen. Aber auch danach ist eine Berichterstattung zu beobachten, die alles übergeht, was ideologisch von den offiziellen Narrativen abweicht, ob es nun um den Ukraine-Krieg geht oder um Themen wie Klima-, Gender- und Gesundheitspolitik.
Die heutige Einseitigkeit der Nachrichtensendungen hat dabei einen strukturellen Unterbau. Ursprünglich sollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten laut Staatsvertrag den Auftrag erfüllen, unparteiisch zu berichten und das Programmangebot ausgewogen gestalten, und zwar möglichst so, dass das gesamte Meinungsspektrum abgedeckt werde. Doch schon bald krankte dieser hehre Anspruch daran, dass die Kontrollgremien der Regelungshoheit staatlicher Instanzen unterlagen. An der Spitze der Hierarchie steht dabei der Rundfunkrat. Er wählt nicht nur den Intendanten und dessen Stellvertreter, genehmigt nicht nur den Wirtschaftsplan und den Jahresabschluss des Senders, sondern bildet auch aus den eigenen Reihen einen Verwaltungsrat, dessen wichtigste Aufgabe es ist, die Geschäftsführung des Intendanten zu überwachen. Schließlich aber soll er sich auch noch mit dem Programmangebot befassen.
Sinnloses Beschwerdeinstrument
Dass es so einseitig und ideologisch gefärbt ausfällt, lässt sich nur dann verstehen, wenn man weiß, wie sich der Rundfunkrat zusammensetzt. Laut Gesetz sollten dort Mitglieder „gesellschaftlich relevanter“ Gruppen vertreten sein. Wer oder was aber gesellschaftlich relevant ist, das entscheiden die Länderparlamente. Deswegen besteht knapp ein Drittel des Rundfunkrats aus Vertretern von Parteien und politischen Behörden. Ebenfalls überproportional repräsentiert sind Wirtschaft und Kirche. Je nach politischem Kalkül geben diese Interessengruppen über die Besetzung des Personals die Richtung vor. Von demokratischer Legitimation könne bei diesen Vertretern keine Rede sein, schreiben Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam in ihrem gemeinsamen Buch «Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende» (https://www.buchkomplizen.de/der-oeffentlich-rechtliche-rundfunk-ist-am-ende.html) Zumeist würden sie „von allen möglichen Vereinen und Kanzleien für das Kontrollamt über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgekungelt“.
Obwohl immer mehr Bürger mit der einseitigen und zunehmend regierungsnahen Berichterstattung unzufrieden sind, kommen sie mit ihrer Kritik nicht durch. „Zum Beispiel gab es von tausend Programmbeschwerden über Tagesschau-Berichte keiner einzigen grundsätzlich statt. Die ARD-aktuell-Redaktion wurde nie zu einer Korrektur oder gar zu einem Widerruf veranlasst“, so Klinkhammer und Bräutigam, die beide mehrere Jahrzehnte bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet haben. Den Bürgern bleiben die Hände aber auch dann gebunden, wenn es um den Rundfunkbeitrag geht. Den müssen sie bezahlen, selbst wenn sie mit dem Programm und der Berichterstattung unzufrieden sind.
Ein hermetisches Steuerungssystem
Der Rundfunkbeitrag erweist sich als eine Zwangsgebühr, gegen die man nicht einmal juristisch vorgehen kann. Kürzlich hat es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein weiteres Mal allen vor Augen geführt. Er entschied (https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/bayvgh_-_7_bv_22.2642.pdf), dass gegen die Rundfunkbeitragspflicht nicht eingewandt werden kann, der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfehle wegen mangelnder Programm- und Meinungsvielfalt seinen verfassungsmäßigen Funktionsauftrag. Die Klägerin hatte sich zuvor geweigert, den Rundfunkbeitrag zu zahlen – und machte geltend, die Beitragspflicht müsse wegen eines „generellen strukturellen Versagens“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entfallen. Mit diesem Argument war sie zunächst in erster Instanz beim Verwaltungsgericht München gescheitert.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies schließlich auch die Berufung zurück. Zur Begründung führte er aus, der Rundfunkbeitrag werde nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich als Gegenleistung für die Möglichkeit des Rundfunkempfangs erhoben. Ziel des Rundfunkbeitrags sei es, eine staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes garantierte Programmfreiheit setze die institutionelle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten voraus und schütze zudem vor der Einflussnahme Außenstehender. Hier schließt sich der Kreis und macht zugleich deutlich, dass es sich um ein hermetisches System handelt, in dem jene Interessensgruppen unter dem Vorwand der Objektivität schalten und walten können, wie sie möchten.
Das Verprassen der Gebühren mit spätrömischer Ungeniertheit
Die dafür notwendigen finanziellen Ressourcen haben sie, in Hülle und Fülle. Mehrere Milliarden Euro müssen Haushaltsvorstände und Unternehmen jährlich abführen, um nicht ins Fadenkreuz der Gebühreneinzugszentrale zu geraten. Doch das Geld fließt nicht unbedingt in die Qualität des Programmangebots, sondern unter anderem auf die Konten der Intendanten. Diese lassen sich fürstlich entlohnen und verschwenden die Gebühreneinnahmen so dreist wie leichtsinnig. Das brachte kürzlich der Skandal um Patricia Schlesinger zum Vorschein. Die ehemalige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg missbrauchte ihr Amt und warf mit Geld um sich, das ihr nicht gehörte.
Diese Selbstbedienungsmentalität und Vetternwirtschaft beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist kein Einzelfall. Klinkhammer und Bräutigam können von weiteren Ausschweifungen berichten: „Ein Intendant ließ sich seine Geburtstagsfeier in der Größenordnung von 100 000 Euro aus Rundfunkbeiträgen bezahlen. Eine Intendantengattin wurde in einem Scheinarbeitsverhältnis mit satten 140 220 D-Mark bedacht, ohne dass sie einen Finger dafür krummmachen musste. Der Leiter eines Subunternehmens des Norddeutschen Rundfunks (NDR) erhielt bei seinem Abschied nicht nur eine Abfindung von 130 000 D-Mark, sondern eine kapitalisierte Pensionszahlung von 3,4 Millionen D-Mark dazu. Ein Intendant ließ für hohe Summen externe Fachleute nach Wegen suchen, unliebsamen Mitarbeitern Stasi-Kontakte anzuhängen.“ Ernsthafte Konsequenzen vonseiten der Aufsichtsgremien soll es nie gegeben haben.
Das große Geschäft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Von den üppigen Gebühreneinnahmen profitieren mittlerweile nicht nur die Intendanten, sondern auch private Produktionsfirmen, insbesondere von Betreibern, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunkfernsehen eigene Talk-Sendungen haben – solche wie Günther Jauch oder Anne Will. In den 80er-Jahren, schreiben Klinkhammer und Bräutigam, sei das Management unter dem Vorwand, Produktions- und Personalkosten zu sparen, dazu übergegangen, Programmanteile von Fremdfirmen herstellen zu lassen. „Genauer: fertige Produktionen von Dritten zu kaufen, Koproduktionen und Auftragsproduktionen zu veranlassen, für Sende- und Übertragungsrechte zu zahlen.“ Die Folge sind gewaltige Mehrausgaben. Laut Klinkhammer und Bräutigam würde etwa eine Talkshow in Eigenproduktion den öffentlich-rechtlichen Rundfunk höchstens 1.000 Euro pro Sendeminute kosten. Wenn hingegen Kommerzbetriebe sie herstellen, zahle dieser mehr als das Vierfache.
Diese Kommerzialisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat Konsequenzen: „Grundsätzliche Unterschiede zu den privatwirtschaftlichen Rundfunk- und Fernsehbetrieben sind im Programm kaum noch feststellbar“, so Klinkhammer und Bräutigam weiter. „Die enormen Summen – mehr als 4 Milliarden Euro! –, die aus den Rundfunkbeiträgen schon heute der Privatwirtschaft zufließen, sind bereits entscheidend für die Existenzsicherung der kommerziellen Medienbranche. Ohne dieses Geld, beispielsweise nach einer Auflösung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, käme es zu einer Pleitewelle.“
Wie könnten diese Missstände behoben werden? Einen Reformansatz hatte kürzlich der Medienwissenschaftler Michael Meyen unterbreitet. Die Rundfunkräte könnten etwa direkt gewählt werden oder ausgelost, so Meyen, der sich dabei an das Ideal der athenischen Demokratie oder an die Laien-Gerichtsbarkeit in den USA anlehnt, bei der das Los über Geschworene entscheidet.
Klinkhammer und Bräutigam regen stattdessen zunächst eine Begrenzung der Kernaufgaben an. In einem ersten Schritt müsste die Zahl der kommerzialisierten Angebote drastisch verringert werden. Noch wichtiger sei darüber hinaus, die heutigen „Aufsichtsorgane“ aufzulösen und sie durch neue demokratische Strukturen zu ersetzen. Das hieße unter anderem: Parteienvertreter und politische Beamten aus den Kontrollgremien ausschließen und daneben Redaktionsstatute neu konzipieren, die wirkliche journalistische Freiheit gewährleisten.
Doch von der Verfolgung solcher Reformideen ist das System weit entfernt, zu vorteilhaft und bequem ist die aktuelle Struktur für die herrschenden Eliten.