ein Gastbeitrag von Sandra Bareis-Lange
Lesedauer 2 Minuten„Moralische Intelligenz erwirbt man nicht durch das Auswendiglernen von Regeln oder Vorschriften oder durch abstrakte Schuldiskussionen und häuslichen Gehorsam. Vielmehr wachsen wir moralisch, indem wir lernen, mit anderen umzugehen und uns in dieser Welt zu verhalten – ein Lernprozess, der darauf beruht, dass wir uns zu Herzen nehmen, was wir gesehen und gehört haben. Das Kind ist ein Zeuge, es ist ein ständig wachsamer Zeuge der Moral Erwachsener – oder ihres Fehlens“, so der amerikanische Kinderpsychiater Robert Coles.
Der Erwachsene ist demnach Vorbild und damit Beispiel für Moral und gelebte Werte.
Ich frage mich, ob wir als Erwachsene und als Gesellschaft in der Corona-Krise unserer Vorbildfunktion gegenüber den Kindern und Jugendlichen gerecht geworden sind und welche Werte wir ihnen vorgelebt haben. Haben wir es geschafft, unsere Kinder zu schützen? Oder haben wir von ihnen verlangt, dass sie uns schützen?
Haben wir Strategien erlernt, um mit unserer Angst und Unsicherheit umzugehen? Oder haben wir die Angst auf unsere Kinder übertragen?
Waren wir verlässlich? Oder haben wir Versprechen und Zusagen gebrochen?
Hinterfragen wir Dinge und leben wir individuelle Entfaltungsmöglichkeiten vor? Oder fordern wir unkritischen Gehorsam und Konformität? Handeln wir vernünftig und rational? Oder agieren wir emotional und kopflos? Leben wir Solidarität? Oder fordern wir diese nur einseitig ein? Sind wir tolerant? Oder akzeptieren wir nur die Meinungen, die uns angenehm sind? Stehen wir für unsere Freiheit und unsere Grundrechte ein? Oder ordnen wir einer vermeintlichen Sicherheit alles unter?
Vom Recht der Jugend
Kinder lernen am Modell, am lebendigen und erlebbaren Vorbild, durch Beobachtung und Nachahmung. Ich wünsche mir für meine Kinder, dass sie sich nicht an den schlechten Vorbildern in dieser Krise orientieren. An Politikern, die sich nicht an die explizite Empfehlung der STIKO halten, den Zugang zur sozialen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen nicht vom Vorliegen der Impfung abhängig zu machen, sondern die „2G“ einfach auch für Jugendliche ab 12 Jahren umsetzen (so geschehen in Baden-Württemberg). An Lehrkräften, die Impfungen für Schüler fordern, anstatt sich eigenverantwortlich um ihren Gesundheitsschutz zu kümmern. An Senioren, die ihre eigenen Interessen über die der nachwachsenden Generation stellen und achselzuckend Schulschließungen hinnehmen. An Nachbarn, die Jugendliche bei der Polizei anzeigen, weil diese ihrem Bedürfnis nach sozialen Kontakten nachgeben.
Vielleicht sind diese modellhaften Erfahrungen für die Kinder und Jugendlichen aber auch eine Chance zu lernen, wie man es gerade nicht machen sollte. Es wird Zeit zur Auflehnung gegen „Erwachsene“, die solche Verhaltensweisen an den Tag legen. Wer sich auflehnt, stellt Autoritäten in Frage. Das ist das Recht der Jugend und für die Entwicklung notwendig, gerade jetzt.
Und wir als Eltern sollten uns an den Spruch erinnern, den mir meine Mutter nach der Geburt meiner Kinder mit auf den Weg gegeben hat: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen. Gestalten wir unseren Kindern ein ermutigendes und freiheitliches Buch.