Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu. Nicht einmal einem Kind

Kolumne von Sonja Sorglos* (*Name von der Redaktion geändert)

Sonja Sorglos schreibt seit Jahren Kolumnen für Zeitschriften und Magazine.

Lesedauer 3 Minuten

Sehr geehrte Ministerpräsidenten, liebe Bundeskanzlerin. Sie haben Tests für unsere Kinder angeordnet. Auch für die ganz Kleinen. Um die Ausbreitung des Coronavirus an Schulen zu verhindern. So weit, so gut.


Die Tests sollen in der Schule durchgeführt werden. Ich mach da nicht mit. Zu welchen Orten haben wir die Schulen nur gemacht? Verbotsschilder, Maskenpflicht, Abstandsregeln und nun auch noch der regelmäßige Corona-Test in der Schule. Was lernen unsere Kinder da? Sie lernen, nein, sie erfahren täglich: „Ich bin ein gefährliches Subjekt. Ich könnte Träger einer potenziell tödlichen Krankheit sein. Ich muss mich von den anderen Kindern (und Erwachsenen) fern halten. Ich muss mein Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung unterdrücken. Meine Bedürfnisse sind eine Gefahr für meine Mitmenschen.” Einer ganzen Generation trichtern wir das ein. Statt dass sie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen, zwingen wir sie, einer fremden Person den Mund zu öffnen, damit die darin mit einem Wattestäbchen rumfummeln darf. Wenn der Test dann positiv ist, wird das „infizierte“ Kind umgehend isoliert. Auf dem Schulhof. Oder in einem Klassenzimmer. Ich stelle mir vor, wie mein Kind da sitzt. Bis ich es abgeholt habe. Alleine. Voller Angst. (Ich habe Covid) Und Scham. (Bin ich jetzt schuld, wenn die anderen Kinder auch Covid bekommen?) Ich fordere Sie auf: Gehen Sie mit gutem Vorbild voran! Lassen Sie sich testen. Zwei Mal wöchentlich im Beisein der interessierten Öffentlichkeit. Öffnen Sie den Mund, für die Presse und alle, die es interessiert. Im Beisein ihrer Kollegen. Falls sie positiv sind, werden sie öffentlich isoliert und später dann von Mami abgeholt. Oder auch nicht. Was, wenn Mami gerade gar nicht kann? Und Papi auch nicht? Dann müssen sie warten. Ganz allein. Mit ihrer Angst und ihrer Scham. Wissen Sie, was ich meinem Kind beigebracht habe: Mein Körper gehört mir. Wenn ein fremder Mensch da etwas rein stecken will, habe ich das Recht, nein zu sagen. Auch wenn der Mensch ein Landesfürst oder sogar eine Kanzlerin ist: Dann sagt mein Kind: Halt, Stop, ich möchte das nicht! Die Verachtung, die Sie seit Beginn ihres Krisenmanagements für Kinder, Jugendliche und ihre Familien an den Tag legen, wird nun endlich ganz offenbar. Dass getestet werden muss: Meinetwegen. Aber warum nicht zu Hause? Trauen sie uns Eltern nicht? Unterstellen Sie uns etwa, dass wir lügen? Nicht testen und das Kind trotzdem zur Schule schicken? Vielen Dank für das Vertrauen! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser scheinen Sie zu denken. Kinderrechte? Kinderwürde? Unversehrtheit? Gar Schutz? Alles nichts mehr wert. Was auch deutlich wird in der Tatsache, dass die Kinder selbst überhaupt keinen Schutz genießen: Sollte tatsächlich eines infiziert sein, wird die Klassenlehrerin, die sich über 30 (teilweise mit Sicherheit weinende und sich sträubende Kinder) beugt, das Virus schön unter ihnen verteilen. Den Mindestabstand kann sie sicher nicht einhalten in dem entscheidenden Moment. Ist aber auch egal, die Kinder haben ja bereits zusammen im Klassenzimmer gesessen, auf dem Hof gespielt (oder auch nicht, weil auch das verboten ist…). Die Kinder sollen wiedermal die Gesellschaft schützen. Alle kindlichen Rechte und Bedürfnisse, die kindliche Gesundheit: Nichts wert. Mit etwas Phantasie gäbe es natürlich Möglichkeiten, zu Hause zu testen und die Ergebnisse zeitnah, per Handy z. B. zu übermitteln. Wenn man sie unbedingt sehen will. Eigentlich würde es auch reichen, positive getestete Kinder zu Hause zu lassen und die Schule zu informieren. Viele Eltern haben sich dafür ausgesprochen, die Lehrer auch. Ist es nicht die Aufgabe einer Gesellschaft, die Jüngsten besonders zu schützen? Wie unappetitlich, sie dermaßen auszuliefern. Bloß den Stammwähler nicht verstören, was?! Warum z. B. werden Eltern und Lehrer nicht vorgezogen in der Impfreihenfolge? Dann würden die Kinder und Jugendlichen, für die es noch keine Impfung gibt, durch sie den nötigen Schutz genießen und endlich wieder zur Schule gehen. Und sich dort von dem Trauma erholen, dass wir ihnen zugefügt haben.

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