Politischer Cartoon: «Furcht und Elend des Grünen Reiches (2021)»

eine Rezension von Caro Heinrich

Lesedauer 2 Minuten
1bis19-Politischer Cartoon: «Furcht und Elend des Grünen Reiches (2021)»
Und wen wählst Du? © Bernd Zeller

„Gerade wir mit unserer Geschichte haben schneller und mehr aus ihr gelernt als die anderen selbsternannten Völker, die sich von uns nichts sagen lassen wollen“, so bellt der sichtlich gereizte Endvierziger. Doch das Äußere des Skizzierten entspricht nicht dem tradierten Bild vom deutschen Spießbürger mit Gartenzwerg im Vorgarten oder Wackeldackel im Fond. Die Gestalten Zellers sind anders. Angejahrte Brillen- wie Bartträger in legeren Parkas und dicken Pullovern, reizlose Frauen ohne Eleganz in kuttenartigen Umhängen und Wollschals. Es sind erkennbar bildungsbeflissene Zeitgenossen. Aber ihre plakativen Phrasen stehen in eigentümlichem Kontrast zur zeichnerischen Schwammigkeit ihres Erscheinungsbilds.

Es ist ein Welt von Wertungen deren scheinbarer Gehalt aus der Überzeugung geistigen Überblicks seiner Protagonisten resultiert. Die Zeichnungen und Aquarelle führen damit in die Lebenswelt sogenannter „Intellektueller“, dem Milieu des „DIE ZEIT“ und „SPIEGEL“ lesenden Akademikers, des deutschen Oberlehrers par excellence. Diese sich graphisch oft breiig darbietende Welt entlarvt Zeller als Sphäre autoritären Moralisierens günstigenfalls zeitgeistiger Plattitüden.

„Ich bin etwas erkältet. Das heißt nicht, dass ich die Klimaerwärmung leugne oder so.“

Zellers satirische Zuspitzungen werfen, wie der Buchtitel treffend kündet, ein Schlaglicht auf „Furcht und Elend des Grünen Reiches“, einer Herrschaft von über jeden Zweifel an ihrem Weltbild erhabener Zeitgenossen, die heute das politische Geschehen im Lande bestimmen und die alles zum Schweigen zu bringen suchen, dass sich ihrem totalitären Anspruch widersetzt.

Ihre Vertreter manipulieren ungeniert die Diskurse bis in den Wikipedia-Eintrag des aus Thüringen stammenden Karikaturisten Zeller, der auch für Mainstream-Medien wie „Focus“ „Süddeutsche Zeitung“ oder „Spiegel Online“ arbeitete, nun aber (Zitat) „seit April 2020 Cartoons für die Mitgliederzeitschrift „AfD Kompakt“ der rechtspopulistischen, in Teilen rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland“ zeichnet.

Damit sind auch schon die Fronten umrissen und der unbequeme Dokumentarist nachhaltigen Anstands und guten Gesinnungsterrors in die rechte Schmuddelecke bugsiert. Doch den freigeistigen Zeller beirrt dies in seiner brillanten und überaus fleißigen Arbeit nicht. Seine Cartoons und Texte auf https://zellerzeitung.de/ und seine dort täglich einminütigen Reflexionen als Youtubes „Senior-Influencer“ gehören zum Besten, was das Land als Spott und Trost in diesen düsteren Zeiten zu bieten hat.

Mit seinem immerhin 11. Band in der Reihe „Satte Tiere“ des Solibro-Verlags ist man geneigt den Autor, mit seiner sprühenden Aphoristik entblößender Beobachter der Sprache unserer Zeit, in die geistige Tradition der Sudelbücher Georg Christoph Lichtenbergs zu stellen. Angesichts der künstlerischen Bandbreite Zellers – von Bleistiftzeichnung zu Tuschgrafik und Aquarell – wäre es übrigens editorisch wünschenswert, einmal der Farbigkeit der Cartoons in einer typographisch elaborierteren und großformatigeren Ausgabe Geltung zu verschaffen.

104 Seiten, gebunden, SOLIBRO Verlag, Münster 2021
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