ein Kommentar von Hans-Christoph Loebel
Lesedauer 5 MinutenDie Wissenschaftsjournalistin Nguyen-Kim soll sich auf ihrem YouTube-Kanal für die Einführung einer Impfpflicht ausgesprochen haben.
Folgende Argumente sollen angeführt worden sein:
- Die Impfpflicht sei „weniger krass“ als die Gurtpflicht, obwohl die Impfpflicht im Unterschied zur Gurtpflicht nicht nur den Verpflichteten schütze, sondern auch Dritte.
- „Der Impfstoff“ sei zwar schnell, aber nicht auf Kosten von „Sicherheit und Sorgfalt“ entwickelt worden.
- Die Impfung schütze, obwohl selbst geimpfte Personen intensiv-medizinisch behandelt werden müssten. Je mehr Personen geimpft seien, desto weniger Personen kämen ins Krankenhaus. Wer meine, Impfungen würden nicht nützen, weil auch geimpfte Personen intensiv-medizinisch behandelt werden müssten, müsse folgerichtig auch sagen, Torhüter nützen nichts, weil trotz ihrer Aktionen Tore fallen würden.
- Erst wenn alle geimpft oder genesen seien, sei das Virus verhältnismäßig harmlos.
- Die Bundesregierung habe zwar versprochen, keine Impfpflicht einzuführen und „Wort brechen ist scheiße“. In der gegenwärtigen Situation sei es aber noch schlimmer, Wort zu halten.
Im Folgenden wird kurz die Schlüssigkeit der Argumente geprüft.
Zum ersten Argument: Es handelt sich der Logik nach um ein sogenanntes Erst-Recht-Argument: Wenn man schon eine Gurtpflicht einführt, die allein den Verpflichteten schützt, dann darf man erst recht eine Impfpflicht einführen, die neben dem Geimpften auch andere vor Ansteckung schützt.1 Das Argument ist nur unter zwei Bedingungen richtig.
Bedingung 1: Die Einführung der Gurtpflicht erfolgte zu Recht.
Bedingung 2: Gurtpflicht und Impfpflicht haben, von der jeweiligen Pflichterfüllung abgesehen, keine weiteren Folgen, jedenfalls keine unterschiedlichen Folgen.
Auf die Bedingung 1 soll hier nicht weiter eingegangen werden. Der unbefangene Verkehrsteilnehmer wird nur überrascht sein, dass der Gesetzgeber meint, Pkw-Fahrer trotz Knautschzone, Überrollbügel und Sicherheitsglas noch durch Gurtpflicht schützen zu müssen, den schnelleren und spurtstärkeren Motorradfahrern indessen gerade mal eine Helmpflicht auferlegen zu dürfen, weil ja die Nase als Knautschzone bekanntlich ausreicht.
Die Bedingung 2 ist genauer zu prüfen. Stellen wir uns vor, Angegurtete könnten nach einem Unfall immer nur mit fremder Hilfe befreit werden oder – schlimmer noch – es käme infolge der Gurtpflicht in 10 v.H. aller Unfälle zum Tod der Angegurteten. Wäre dann die Gurtpflicht zu rechtfertigen? Oder stellen wir uns vor, die Impfpflicht würde bei 10 v.H. aller Geimpften zum Tode als Folge der Impfung führen. Wäre dann die Impfpflicht zu rechtfertigen? Wer die beiden letztgenannten Fragen verneint, räumt implizit ein, dass es also auf die Folgen einer vom Gesetzgeber eingeführten Pflicht ankommen kann. Dann benötigen wir gar nicht erst den Vergleich von Gurtpflicht und Impfpflicht, wenn wir einräumen, dass es zur Rechtfertigung der einen wie der anderen Pflicht auf die jeweiligen Folgen der Pflicht ankommen kann. Sollten wir gleichwohl Gurtpflicht und Impfpflicht miteinander vergleichen, wissen wir aber, dass ein Vergleich nur statthaft ist, wenn die Pflichterfüllung für die Verpflichteten nicht zu unterschiedlichen Folgen führt: Ist die Gurtpflicht völlig ungefährlich für die Angegurteten, muss auch die Impfpflicht völlig ungefährlich für die Geimpften sein. Dass die Gurtpflicht völlig ungefährlich ist, wollen wir hier einfach annehmen. Dass die Impfpflicht völlig ungefährlich für die Geimpften ist, können wir schon deshalb nicht annehmen, weil nun einmal als Folge der Verabreichung eines Impfstoffes bei einigen Geimpften eine Hirnthrombose auftrat.
Das führt zum zweiten Argument: Alle Impfstoffe sollen ungefährlich sein. Dass sie es nicht sind, ist soeben festgestellt worden. Und wenn vor kurzem die Ständige Impfkommission feststellte, dass für alle bis 30-Jährigen gerade einmal ein Impfstoff zu empfehlen sei2, bedeutet das mit anderen Worten: Alle anderen Impfstoffe sind für diese Altersgruppe wegen möglicher Nebenfolgen nicht zu empfehlen. Eine weitere Erwägung: Man kann mit finanziellen Mitteln manches beschleunigen. Man kann mit finanziellen Mitteln aber nicht Zeit kaufen, die man benötigt, um bei Impfstoffen Wirkung und Nebenwirkung mit der gebotenen Sorgfalt zu erfassen.
Zum dritten Argument: Nur weil auch vollständig Geimpfte schwer erkranken können, spreche nichts gegen eine Impfung. Das mache der Torhütervergleich deutlich. Doch wie fast immer bei Vergleichsargumenten: Sie hinken.
Wir stellen uns Frau Nguyen-Kim als Torhüterin bei einem Spiel der DFB-Nationalmannschaft (Herren) gegen die Auswahlmannschaft von Frankreich oder Italien vor. Ob Frau Nguyen-Kim im Tor stünde oder überhaupt niemand, würde vermutlich keinen großen Unterschied machen. Stünde Manuel Neuer im Tor, wäre das wohl ein wenig anders.
Übertragen wir diesen Gedanken auf die Sinnhaftigkeit von Impfungen. Wie es auf die Qualität des Torhüters ankommt, wenn wir fragen, ob es sinnvoll ist, die Position des Torhüters zu besetzen, so kommt es auf die Qualität der Impfstoffe an, ob es sinnvoll ist, sich impfen zulassen. Wäre wirklich sicher, dass Impfungen keine Nebenwirkungen haben können und vor Erkrankungen für mindestens fünf Jahre schützen, würden sich sicher sehr viele Skeptiker impfen lassen. Doch die Nebenwirkungen können eben keinesfalls abschließend beurteilt werden3 und die Wirkung der bislang zugelassenen Impfstoffe ist leider geringer als erhofft.4 Um im Bilde zu bleiben: Angenommen, der einzig einsetzbare Torhüter spielt in der dritten Kreisklasse und schießt das eine oder andere Eigentor. Dann bleibt sehr wohl die Frage, ob es nicht doch besser ist, gleich ohne Torhüter zu spielen.
Zum vierten Argument: Derzeit gelten Genesene gerade einmal für sechs Monate als ungefährlich für sich und die anderen. Aus welchem Grund soll das nicht mehr gelten, wenn alle oder alle anderen geimpft sind? Es ist doch nicht zu leugnen, dass vollständig Geimpfte trotz ihrer Impfung schwer erkranken und andere anstecken können. Aus welchem Grund soll dann eine Impfung aller zum Ende der Pandemie führen? Richtig ist, dass die „verantwortlichen“ Politiker hofften, Impfungen würden aus der Pandemie führen. Tatsächlich erfüllen die zugelassenen Impfstoffe diese Erwartung aber nicht.5
Zum fünften Argument: Es ist schlichtweg falsch zu meinen, „die Politik“ könne über die Einführung einer Impfpflicht frei entscheiden. Denn eine solche Impfpflicht wäre ein massiver Eingriff in Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, nämlich in das aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgende Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und in das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Selbstbestimmung über körperliche Unversehrtheit. Und es ist der Staat, der einen solchen Eingriff rechtfertigen müsste. Rechtfertigungspflichtig wären nicht die skeptischen Bürgerinnen und Bürger! Ob ein Impfzwang gerechtfertigt werden könnte vor dem Hintergrund schwacher Langzeitwirkungen der bisher zugelassenen Impfstoffe und vor dem Hintergrund vielfach ungeklärter Nebenwirkungen, kann hier noch offenbleiben. Festzuhalten bleibt aber, dass die oben genannten Argumente für die Einführung einer Impfpflicht nicht haltbar sind.
1 Auf die Logik des Arguments bin ich bereits an anderer Stelle eingegangen.
2 https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-11-10.html (17.11.2021)
3 Beleg: Nach Verabreichung bestimmter Impfstoffe traten bei einigen älteren Bürgerinnen und Bürgern Hirnthrombosen auf. Erst dann, also im Nachhinein, untersuchte das Paul-Ehrlich-Institut Hirnthrombosen als mögliche Nebenwirkung von Impfstoffen. Wäre diese Nebenwirkung vorher bekannt gewesen, hätten die Ärzte, die den Impfstoff gleichwohl einsetzten, möglicherweise wegen Todschlags angeklagt und verurteilt werden müssen.
4 Beleg: Sonst wären keine dritten und vierten Impfungen erforderlich.
5 Es bleibt ein einfaches Dilemma: Entweder ist jeder Geimpfte hinreichend geschützt oder nicht hinreichend geschützt. Wenn Geimpfte hinreichend geschützt sind, bleibt die Frage, warum die Geschützten (nämlich die Geimpften) vor den Nichtgeschützten (nämlich den Nichtgeimpften) geschützt werden müssen. Wenn Geimpfte nicht hinreichend geschützt sind, bleibt die Frage, warum sich dann Nichtgeimpfte überhaupt impfen lassen sollen.