Die sogenannte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ (Teil 2 von 2)

Eine chronologische Nachbetrachtung von RA Christian Becker

Lesedauer 5 Minuten

[Im ersten Teil des Beitrags schildert der Autor die Vorgänge von Herbst 2021 bis zum Anbruch des Sommers 2022.]

Na was jetzt? – Von Solidarischen und Unsolidarischen

Es wurde Sommer und zumindest in den von mir vertretenen ca. 150 Fällen war nichts weiter passiert als die Entgegennahme von einem oder mehreren Erinnerungen an die Nachweispflicht durch die Gesundheitsämter mit einfacher Post.

Die bösen „unsolidarischen“ Pflegekräfte arbeiteten weiter, teilweise mit erheblichen Überstunden, da die guten solidarischen Pflegekräfte, die die Segnungen der „Impfung“ mehrfach in Anspruch genommen haben, regelmäßig mit „Corona“ ausfielen, entweder tatsächlich mit symptomatischer Erkrankung oder aufgrund von selbstgewählter oder verordneter Quarantäne.

Die Ausfälle häuften sich in der Art großer Zahl, dass dies sogar den guten solidarischen Arbeitgebern in den großen Krankenhäusern und Pflegeheimen aufgefallen sein muss. Plötzlich wurden Appelle an die Politik gerichtet, doch diese Geschichte mit der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“, die man doch so gehorsam bis dahin gefördert hatte (kleine Erinnerung: „Impfquoten“), noch einmal zu überdenken, da man auf die weitere Ausbeutung der unsolidarischen Pflegekräfte doch nicht so einfach verzichten wollte.

Einzelne Bundesländer äußerten sich sogar dahingehend, dass die Impfpflicht nicht „vollzogen“ werde, was juristisch eigentlich einer Ungeheuerlichkeit gleichkommt, da es sich um eine bundesgesetzliche Regelung handelt, bei welcher einzelnen Bundesländern überhaupt nicht die Kompetenz zusteht, diese nicht zu „vollziehen“.

Eine besondere politische Posse hat sich zu dieser Zeit im für diese besonders geeigneten Saarland abgespielt: Zur damaligen Zeit war die Landesregierung SPD-geführt, in den einzelnen Landkreisen und Kommunen regierte jedoch vorwiegend die CDU.

Wohl angeregt durch die zunehmenden kritischen Stimmen aus den Krankenhäusern und Pflegeheimen und natürlich hauptsächlich, um der Landesregierung eins auszuwischen, verkündete der Landkreistag gegenüber der versammelten Presse, dass man keine Betretungsverbote durchsetzen werde. Bis dahin war es tatsächlich auch im Saarland noch zu keinem einzigen Verbot gekommen.

Es schien also zeitweise von August bis September so, dass der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ er keine große Zukunft mehr beschieden und es bereits fraglich war, ob die Vorschrift bis zum 31.12.2022 überhaupt durchhalten würde.

In dieser politischen Gemengelage musste die Justiz natürlich vorangehen und hat in den Einzelfällen, in welchen bundesweit tatsächlich Betretungsverbote ausgesprochen worden sind, diese jeweils bestätigt. Soviel zu den Verwaltungsgerichten. Das Bundesverfassungsgericht hatte ja ohnehin bereits seinen Job erledigt.

Herbst 2022 bis Ende Dezember 2022:
Das Impferium schlägt zurück

Nun hätte man diese völlig missglückte Regelung bis zu ihrem natürlichen Ableben am 31.12.2022 sanft und leise schlummern lassen können.

Doch hier hätte man die Rechnung ohne den Wirt gemacht und der ist in diesem Fall: Das Gesundheitsministerium.

Im Saarland, wo ich im Hinblick auf die Verkündung in der Presse zu Beginn des Septembers bereits jedem Gesundheitsamt mitgeteilt hatte, dass man das Verfahren wohl einstellen können, wurden auf einmal „Anhörungsbögen“ mit der Ankündigung der Prüfung eines Tätigkeitsverbots großflächig versandt. Offensichtlich durfte sich das Ministerium den Zwergenaufstand der Landkreise nicht gefallen lassen und wies die Gesundheitsämter an, nun endlich durchzugreifen. Dies wenige Monate bzw. Wochen vor dem Ablauf der Regelung ohne jeden Sinn und ohne eine Aussicht auf Erfüllung des behaupteten Zwecks, die „Vulnerablen“, die man nun seit einem halben Jahr der großen Gefahr der Pflege durch die Unberührbaren ausgesetzt hatte, noch „schützen“ zu können. Denn das medizinische Basiswissen, dass ein Drittschutz ohnehin von vornherein durch diese „Impfung“ nicht erreicht werden konnte, erreichte allmählich auch die Politik.

Um es kurz zu machen, im Saarland wurden dann nach einer weiteren Verschleppung der Verfahren bis zum Ablauf des Jahres 2022 dennoch keine Betretungsverbote ausgesprochen und, zumindest meines Wissens, auch keine Bußgelder verhängt.

Anders natürlich in Rheinland-Pfalz, in welchem eine farblich der aktuellen Bundesregierung entsprechende Landesregierung ihr Unwesen treibt. Wurde mir zuvor schon von den Gesundheitsbehörden der Landkreise bekannt, dass ein enormer Druck auszuüben versucht wurde, welchem allerdings erstaunlich viele Landkreise standgehalten haben. Aber nun auf einmal, kurz vor Auslaufen der Regelung, hagelte es Anhörungen, Bußgelder und tatsächlich auch Betretungsverbote. Man kann denknotwendig nicht umhin, dass der einzige Sinn dieser Vorgehensweise eine Bereinigung der Statistik gewesen ist (seht her, wir haben doch was gemacht!). Außerdem konnte man mit den Bußgeldverfahren (Regel Bußgeld: 500 €) doch auch bei der Gelegenheit noch etwas Geld in die klamme Kasse bekommen.

Bei den tatsächlich ausgesprochenen Betretungsverboten kann man eigentlich von einem Hagel nicht so wirklich sprechen, bei den von mir betreuten Fällen kam es hierzu etwa ein halbes Dutzend mal, also in 4 % der Fälle. Bußgelder wurden allerdings in deutlich größerer Anzahl erlassen, geschätzt traf es hier 15 %. Dies bedeutet in Rheinland-Pfalz wurde in 85 % der Fälle nichts getan, im Saarland in 100 % der Fälle. Soviel zum „Schutz der Vulnerablen“.

Insbesondere eine Kreisverwaltung in Rheinland-Pfalz entblödete sich nicht, sogenannte bedingte Tätigkeitsverbote auszusprechen unter der Auflage, dass davon abgesehen werde, wenn die Beschäftigten bei der Tätigkeit eine Maske trügen und sich regelmäßig testeten (was zu dieser Zeit ohnehin jeder im Gesundheitsbereich tun musste).

Der Gipfel der Absurdität ereignete sich zum Schluss. Eine Mandantin erhielt am 20.12.2022 (!) ein Betretungsverbot für ihren Arbeitsplatz, befristet bis zum 31.12.2022. Ich hätte in diesem Fall zu gerne allein aufgrund der Lächerlichkeit ein Gerichtsverfahren durchgeführt, die Mandantin zog es vor, von Weihnachten bis Neujahr ihren Resturlaub abzufeiern, was ihr vergönnt sei.

Alleine das Geschehen in den letzten Tagen dieser Farce würde eigentlich Stoff für einen ganzen entspannten Kabarettabend liefern.

Danach: Nachwirkungen

Anhand der vereinzelt aufgetauchten Statistiken lässt sich ersehen, dass die von mir ausgewerteten Fälle keine Ausreißer sind, sondern durchaus eine gewisse Repräsentativität abbilden.

Die zumindest nach meiner Kenntnis einmalige Gehorsamsverweigerung durch Nichtstun durch die unteren Gesundheitsbehörden stellt dem Gesetz und den Ministerien, die dies vollstrecken wollten, ein Armutszeugnis aus (wessen es natürlich nach den großartigen Leistungen der letzten Jahre auch nicht mehr bedurft hätte).

Wenn es noch so etwas wie eine kritische Presse gebe, würde sich Raum für so viele Fragen ergeben. Sie sind, natürlich, nicht gestellt worden.

Noch ein Nachtrag zu den verhängten Bußgeldern:

In nahezu allen Fällen haben sich die betroffenen durch einen Einspruch gewehrt, die Verfahren werden nun allmählich durch die Strafgerichte entschieden.

Noch in keinem einzigen Fall ist das verhängte Bußgeld bestätigt worden.

Es drängt sich eher der Eindruck auf, dass jedes Gericht froh ist, ein solches Verfahren gar nicht erst entscheiden zu müssen und nach Gründen sucht, dies einzustellen. Dies ist meist gar nicht so schwer, da die Behörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, nunmehr auf einmal erkennen lässt, dass eigentlich überhaupt kein Interesse an einer weiteren Verfolgung steht.

Dies rundet das Bild einer völlig verfehlten Regelung ab, die von Bund und Land mit dem Kopf durch die Wand dennoch durchzusetzen versucht wurde, was allerdings in für diese geradezu desaströser Weise gescheitert ist. Eine Überzeugung zur Durchsetzung bestand bereits auf mittlerer und erst recht auf unterer Verwaltungsebene nicht mehr.

Was allerdings nicht bemessen werden kann, ist die Auswirkung des durch die Regelung geschaffenen psychosozialen Drucks auf die Beschäftigten im Gesundheitswesen. Ebenso die Anzahl derer, die sich diesem gebeugt haben. Es ist dem Gesetzgeber zuzutrauen, dass er dieses Ziel von vornherein auch mitverfolgt hat und hier zumindest einen „Erfolg“ errungen hat.

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