Die sogenannte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ (Teil 1 von 2)

Eine chronologische Nachbetrachtung von RA Christian Becker

Lesedauer 5 Minuten
Schlusspunkt Gesundheitspolitik

Am 10.12.2021 hat der Deutsche Bundestag die Einführung der „Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal“ beschlossen. Kern dieser Vorschrift, die eigentlich keine Impfpflicht, sondern eine Nachweispflicht geschaffen hatte, war die Regelung, dass Personal in Gesundheitsberufen bis zum 15.3.2022 Nachweise entweder über eine „Impfung“ gegen COVID-19, über den sogenannten „Genesenenstatus“ oder aber eine bestehende Kontraindikation gegen die „Impfung“ bei ihrer Einrichtungs- oder Unternehmensleitung vorzulegen verpflichtet war. Von dort sollte wiederum eine Meldung gegenüber den Gesundheitsbehörden erfolgen, sollte die Vorlage eines solchen Nachweises nicht erfolgt sein. Im Anschluss sollten die Gesundheitsbehörden eine Entscheidung in Form einer juristisch so bezeichneten Ermessensentscheidung (Kann-Entscheidung) treffen, ob gegenüber den Betroffenen ein Betretungsverbot oder gar ein Tätigkeitsverbot für die Einrichtung, in welcher diese tätig waren, ausgesprochen wird.

Zudem wurde ein Bußgeldtatbestand geschaffen, womit die Ordnungsbehörden (zusätzlich oder alternativ) ein Bußgeld gegen den Betroffenen, der einen Nachweis nicht vorgelegt hatte, aussprechen konnten.

Als Fachanwalt für Medizinrecht und bekennender und regional bekannter Maßnahmenkritiker war für mich früh klar, dass mich diese Regelung im Folgejahr sehr beschäftigen würde. So kam es dann auch. Nach dem Wegfall der von Anfang an bis zum 31.12.2022 befristeten Regelung ist es aus meiner Sicht Zeit für eine naturgemäß subjektiv gefärbte Nachbetrachtung.

Mitte Dezember 2021 bis Mitte März 2022:
Dem Wahnsinn mit Struktur entgegentreten

Noch vor Weihnachten 2021 fanden sich erste Kleingruppen bei mir zur Beratung darüber ein, was diese Regelung in der Konsequenz für ihre Arbeit und vor allem ihren Lebensunterhalt bedeuten würde. Bei den Menschen aus den Gesundheitsberufen, die sich bei mir nach und nach einfanden, war zum einen klar: Sie waren fest entschlossen, diese „Impfung“ nicht in Empfang zu nehmen.

Vor allem die großen Einrichtungen wie Krankenhäuser und karitative (sic!) und kirchliche Heime und sonstige Einrichtungen hatten bereits monatelang stärksten psychischen Druck auszuüben versucht, um im Anschluss mit absurden sogenannten „Impfquoten“ auftrumpfen zu können, was ihnen bei diesen Menschen nicht gelungen war, bei anderen, wie mir berichtet wurde, jedoch sehr wohl. Dennoch stellten die nach außen verbreiteten „Impfquoten“ von behaupteten 95% und mehr reine Fantasiezahlen dar, wie ich durch meine Einblicke in die Gruppe der jeweilig „Ungeimpften“ in nahezu jedem regionalen Haus bekommen hatte.

Zum anderen war bei allen Betroffenen der feste Vorsatz vorhanden, weiter in ihrem Beruf zu arbeiten, obschon sie zum Ausdruck brachten, sich für ihren Beruf bereits jahrelang ausgenutzt und erniedrigt zu haben. Mir kam vor diesem Hintergrund Nicht oft der Gedanke, dass ich unter solchen Arbeitsbedingungen schon längst den jeweiligen Vorgesetzten meine Meinung verdeutlicht und auch endgültigen Abschied verkündet hätte.

Als Jurist ist man gewohnt, auch mit wenig Zeit und ungeachtet der teilweise schlechten Formulierung von Gesetzen und Verordnungen, schnell Struktur zu schaffen. Hinsichtlich existenzieller Not konnte ich meine Mandanten zunächst etwas beruhigen: Die geschaffene Regelung war von Anfang an bis zum 31.12.2022 befristet und für den Fall, dass es zu einem Betretungs- oder Tätigkeitsverbot kommen sollte, hielt ich trotzdem nach Rücksprache mit einem Arbeitsrechtler eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber für nicht durchsetzbar, sondern allenfalls eine unbezahlte Freistellung für die Dauer des Tätigkeitsverbots. Für diesen Fall war ebenso früh klar, dass die Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld hätte zahlen müssen, was auch dazu geführt hätte, dass der Krankenversicherungsschutz fortgeführt werden konnte.

Gegen ein Tätigkeitsverbot hätte man Widerspruch einlegen müssen, verbunden mit einem Eilantrag zu den Verwaltungsgerichten, da ansonsten über den Widerspruch mutmaßlich nicht mehr in dem Jahr entschieden worden wäre und so das Tätigkeitsverbot trotz des Widerspruchs fortbestanden hätte.

Von den Verwaltungsgerichten erwartete ich nicht erst seit deren „Corona-Rechtsprechung“ nicht viel. Was vielen, auch Anwaltskollegen, offensichtlich nicht klar ist, ist, dass die Verwaltungsgerichte nicht etwa bei den Corona-Maßnahmen deutlich anders als bereits in den Vorjahren entschieden haben. Als Kontrolle der Verwaltung sind diese Gerichte schlichtweg nutzlos, da im Zweifel jede Einschätzung auf nichtjuristischen Gebiet, also auch auf medizinischem, nahezu ungeprüft von der Verwaltung übernommen wird, ohne unabhängige Expertise einzuholen, erst recht auf dem Gebiet des sogenannten „Eilrechtsschutzes“. Gerechtfertigt wurde dies von jeher aufgrund einer vermuteten „Einschätzungsprärogative“ der Verwaltung, eine Figur aus dem sehr komplexen Umweltschutzrecht, die einfach auf alle anderen Gebiete erweitert wurde.

Ich entsinne mich eines Telefonats mit einem Richter aus einer anderen Gerichtsbarkeit, der nun wirklich kein überzeugter Maßnahmen-Kritiker war, aber ein wenig Bauchschmerzen ob der Verhältnismäßigkeit vieler Maßnahmen verspürte. In einem waren wir uns einig: Die Verwaltungsgerichte würden jedenfalls nicht helfen. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass das

Gebot der Mäßigung mir verbietet, hier einen Kommentar zur damaligen Hoffnung auf Hilfe durch die meine Erachtens Karikatur von Bundesverfassungsgerichts abzugeben.

Worauf also könnte man setzen?

Da die Entscheidung der Gesundheitsämter eine vorherige förmliche Anhörung, eine Ermittlung aller Umstände des Einzelfalls und im Anschluss eine wohlbegründete Ermessensentscheidung verlangte, erschien es plausibel, auf das mir aus anderen Verfahren wohlbekannte Behördenversagen bei der Einhaltung von Form- und Verfahrensvorschriften zu spekulieren. Und bei Formfehlern laufen sogar Verwaltungsgerichte bisweilen zu rechtsstaatlicher Höchstform auf.

Mein Rat an alle, die bis hierhin durchgehalten hatten, war, dem steigenden psychischen Druck durch die Arbeitgeber standzuhalten und abzuwarten, was am 15.03. passieren würde.

Mitte März 2022 bis Sommer 2022:
Warten auf Godot

Den Mandanten, welche ich noch für halbwegs empfänglich für meinen Sarkasmus gehalten habe, hatte ich im Vorfeld bereits mitgeteilt, ich würde dann ab Mitte März zunächst einmal zwei Wochen in Urlaub gehen. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte, war, dass dies ohne Probleme möglich gewesen wäre. Es kam der 15. März und es passierte … nichts.

Wobei es schon neben vielen Gesundheitsämtern, die überhaupt nichts taten, einige gab, welche pflichtschuldigst Serienbriefe an die Personen gesandt hatten, welche von Ihren Arbeitgebern ebenso pflichtschuldigst als „nachweislos“ gemeldet worden waren.

Diese wurden allerdings nicht zugestellt, sondern mit einfacher Post versandt und enthielten inhaltlich nichts weiter als eine mehr oder weniger freundliche Erinnerung daran, dass noch kein Nachweis vorgelegt worden sei.

Dies ist aus juristischer Sicht kaum mehr als nichts, da eine ernsthafte Absicht, ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot auszusprechen zunächst eine förmliche Anhörung bei den Betroffenen und möglicherweise auch bei den Arbeitgebern vorausgesetzt hatte. Eine solche muss dem Betroffenen auch nachweisbar zugegangen sein, was bei Versendung mit einfachen Briefen nicht der Fall ist.

Es blieb also zu diesem Zeitpunkt nicht weiter zu tun, als zu raten, weiter abzuwarten und die eingegangenen Briefe möglichst zu ignorieren. Dies gelang einigen besser, anderen weniger gut, da natürlich der psychische Druck weiter stieg.

Einige haben versucht, Atteste über eine medizinische Kontraindikation zu erhalten, welche bei Anerkennung durch die Behörde als Nachweis ausgereicht hätten. Angesichts der Erfahrungen mit den berüchtigten „Maskenbefreiungsattesten“ kann man sich vorstellen, dass diese Versuche in großem Umfang zum Scheitern verurteilt waren. Diese waren allenfalls in den Konstellationen hilfreich (wenn sich denn überhaupt ein Arzt gefunden hat, der ein solches Attest ausstellte), wenn man sich mit dem Arbeitgeber einig war, denn dieser war nicht verpflichtet, den Nachweis weiterzuleiten, sondern lediglich ihn zu akzeptieren und zu denPersonalunterlagen zu nehmen: Kapitel einrichtungsbezogene Impfpflicht damit für sie beendet.

Dies funktionierte natürlich nur in kleinen Betrieben wie ambulanten Pflegediensten, wo sich Arbeitgeber noch darüber bewusst sind, auf jeden einzelnen Arbeitnehmer angewiesen zu sein.

Ansonsten verging Woche um Woche, Monat um Monat, und es passierte im bereits dargestellten Sinne … nichts.

[Im in Kürze erscheinenden zweiten Teil des Beitrags schildert der Autor die Vorgänge von Sommer 2022 bis Frühjahr 2023.]

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