Alles wieder gut!

Oder das Leben vor und nach den Corona-Maßnahmen

ein Kommentar von Camilla Hildebrandt

Lesedauer 5 Minuten

1bis19 - lles wieder gut!
Deutsches Idyll

„In Berlin ist alles wieder normal, die Leute strömen in die Cafés, es gibt Open-Air-Kino, zig Konzerte, und nur in Bussen und Bahnen muss noch Maske getragen werden“, erzählt mir eine gute Freundin. Das Leben ist also wieder normal.
Der Begriff „normal“ oder „Normalität“ hatte für mich immer schon eine besondere Konnotation. Denn was für viele normal ist, gilt für mich und mein Leben erst, nachdem ich die sogenannte Norm auf Herz und Niere geprüft, auf Einhaltung der Menschenrechte, Toleranz und Sinnhaftigkeit untersucht und für gut befunden habe. Allerdings können Normen nach meiner ausführlichen Analyse auch durchfallen und nicht als solche anerkannt werden. Normen werden von Menschen erschaffen, sie sind kein ungeschriebenes Gesetz. Abgesehen davon wurden auch Gesetze von Menschen geschrieben. Aber gut. In diesem Sinne ist die Beschreibung für den aktuellen Zustand im Juni 2022 meiner Ansicht nach alles andere als „normal“. Denn für mich gibt es eine real erlebte Einteilung in „vor und nach den Corona-Maßnahmen“. Für mich wird das Leben nicht wieder „wie vorher“ sein. Denn meine Sicht auf die Welt vor Corona hat mit der aktuellen kaum noch etwas gemein. Meine Liebe zu meiner kleinen Familie und den wenigen Freunden ist stärker denn je, aber abgesehen davon? Mein Weltbild vor Corona gleicht heute einem scharfkantigen Glasscherbenhaufen. Und in Berlin war ich schon seit Dezember 2021 nicht mehr, denn so sehr ich diese Stadt liebe, zieht mich momentan wenig dorthin.

Normalität in Krankenhäusern 2022

Eine Bekannte, die seit dreißig Jahren in Deutschlands renommiertesten Krankenhaus arbeitet, berichtet in Bezug auf mein Interview mit KRiSTA, dem Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte in Deutschland und der Corona-Rechtsprechung: „Hier gibt es kein Recht mehr. Viele meiner Kollegen im Haus haben Herzrhythmusstörungen von der Covid-Impfung, viele versuchen, sich schnell berenten zu lassen, oder verlassen, wenn sie können, das Land. Die Zahl der Bewerber aus dem In- und Ausland für die freien Stellen im Verhältnis zu den Kündigungen steht 1:2. Und die Bewerber sind oft nicht qualifiziert. Ich habe nur eine Kollegin, die überzeugt pro Impfung ist, alle anderen wollen keine dritte oder vierte Impfung mehr über sich ergehen lassen. Aber ab Oktober 2022 müssen hier alle im Haus drei Mal geimpft sein. Eine Covid-Erkrankung ersetzt für ein halbes Jahr den Booster. Alle im Haus werden außerdem zwei Mal pro Woche getestet, jeder Krankenhaus-Besucher muss sich einem Schnelltest unterziehen, jeder Patient einem PCR-Test. Keiner traut sich, darüber zu reden. Man spürt die große Sorge der Kollegen, wie es weitergehen wird. Eins der besten Gesundheitssysteme der Welt – inklusive Ärzte und Gesundheitsmitarbeiter – wird an die Wand gefahren für die reichen Pharmabesitzer und Nutznießer (siehe Maskendeals).“
Ich das „normal“, wie es meine Freundin bezeichnete?

Normale Freunde 2022

Als Freunde bezeichne ich mittlerweile vorwiegend Menschen, die das selbständige Denken in den letzten zwei Jahren nicht verlernt haben. Manche von ihnen habe ich persönlich nie kennengelernt, nur per Telefon-, Video- oder Email-Kontakt, wie Psychologen, Ärzte, Sprachwissenschaftler, Krankenhauspersonal, Autoren, sehr wenige Journalisten-Kollegen, Designer, Juristen, Studenten oder Nachbarn. Aber ich empfinde zu ihnen eine weitaus größere Verbindung, als zu manch anderem langjährigen Freund oder nahen Verwandten. Es fällt mir zunehmend schwer, mich mit Mitbürgern zu unterhalten, die nach zwei Jahren Corona-Ausnahmezustand nach wie vor unüberlegt wiederkäuen, was bekannte Volksvertreter oder Leitmedien sagen. Es ist ihre Entscheidung, natürlich.

Die neue Normalität?

Ich erkenne den aktuellen Zustand der Gesellschaft und des gesellschaftlichen Systems nicht als normal an. Ich bezeichne ihn als vorwiegend auf größtmöglichen Geld-, Status- und Machtgewinn konzentriert, als krankhaft, Narzissmus-fördernd und verlogen. Wer Geld, Macht oder eine herausragende Position innehat, bestimmt, wo es langgeht. Das gilt für Medienunternehmen, staatlich geförderte Einrichtungen jeglicher Couleur, weltweit agierende Unternehmen, Krankenhäuser, Altenpflege-Zentren, pädagogische Einrichtungen und vor allem für politische Ämter. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Aber war das nicht schon immer so, und wir wollten es nur nicht sehen?“, fragt mich mein bester Freund, mein Mann. Renommierte Arte- und ZDF-Dokumentationen über die katastrophale Korruption in den Reihen des WHO-Vorstands, über das brutale Machtinteresse der Pharmaunternehmen, über die Verlogenheit der Politiker weltweit, über die milliardenschweren Spenden von Weltkonzernen an Medienunternehmen gab es schon vor über zehn Jahren. Auch den Versuch, der Bevölkerung ein nicht ausgetestetes Vakzin unterzujubeln, siehe Schweinegrippe. Aber die meisten dieser sehr gut recherchierten Dokumentationen habe ich mir erst jetzt angeschaut, und vor allem dank Covid habe ich versucht, Primärquellen und Rohdaten zu verstehen und zu entschlüsseln. Darüber bin ich beinahe an der Menschheit und dem gesellschaftlichen Machtsystem verzweifelt. „Aber“, antworte ich meinem Mann, „wir haben uns in unserer Blase der freien, demokratischen und vor allem rechtssicheren Republik mit ein paar Korruptionsfällen, ja, aber längst nicht so vielen wie in anderen Ländern, einfach sehr wohl gefühlt, ein wenig sogar gesuhlt in der Überzeugung, dass wir es in Deutschland besser machen.“

Also, wen sollen wir anklagen?

Ja, wem sollen wir die Schuld geben?

Der Marktwirtschaft, die gnadenlos und vorhersehbar jede Sekunde die Schlucht zwischen unfassbar Reich und erschütternd Arm vergrößert?

Den Politikern, die weltweit ihre Pfründe sichern und vielleicht am Anfang ihrer Karriere mit hehren Zielen und zu Gunsten der Bevölkerung im Sinne ihrer Aufgabe als Volksvertreter agieren, aber auf dem Weg nach oben immer mehr zu gesichtslosen Untertanen ihren eigenen Karriere-Gelüste degradieren?

Den Medienunternehmen, die wie Tiere getrieben von Macht und Geld, den Klicks und User-Zahlen hinterherhecheln, die Hierarchie immer mehr ausbauen, die Abhängigkeit von den Geldgebern verkennen, mehr Administrationsposten erschaffen als Stellen für unparteiische Berichterstattung und gut bezahlte Sendungen mit Hintergrund, und damit letztendlich die weltweit gepriesene, ausgewogene deutsche Berichterstattung zu Tode kürzen werden?

Kleiner Exkurs: 2021, mitten in der Corona-Hochphase, versuchte ich ein kulturell hoch spannendes Thema einem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunksender anzubieten. Ich arbeite seit 20 Jahren für ähnliche Häuser. Der Redakteur der Sendung schrieb mir zurück: „Ich bedaure sehr, dass wir Ihr sehr interessantes Thema nicht annehmen können, aber die Redaktion nimmt keine neuen Autoren mehr auf. Jeder neue Autor muss vom Intendanten abgesegnet werden.“

Die ausgewogene deutsche Berichterstattung, die ich ein wenig stolz in die Welt getragen hatte, gibt es kaum noch. Auch wenn die Institutionen, die ich hier anspreche, mich beim Lesen dieser Zeilen sicher als Lügnerin abstrafen würden. Selbsterkenntnis als erster Weg zur Besserung, wäre meine Antwort darauf. Aber wir bleiben bei der reinen Hypothese dieser Unterhaltung.

Veränderung?

Ich klage niemanden an. Vielmehr rüge ich mich selbst, mich bis 2020 in der Sicherheit gewähnt zu haben, in Deutschland sei es im Vergleich zu anderen Ländern „doch schon etwas besser, was Rechtsprechung, Korruption und vor allem Freiheit betrifft“. Dass ich kein großes Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen aufgebracht und das Justiz- und Parteiensystem in Deutschland lange Zeit für weitgehend gut befunden habe. Dass ich zu wenige Demonstrationen besucht und kaum Sachbücher gelesen habe. Vielleicht stehen wir tatsächlich in Relation zu anderen Regionen der Welt immer noch besser da. Aber dennoch ist der momentane Zustand unseres auf dem Papier existierenden demokratischen Systems erschreckend. Die Entwicklung in den Medien, die Abhängigkeit von Geldgebern habe ich schon seit Jahren kritisiert. Ebenso die ewige Lebenslüge gewisser Medienunternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit. Die permanenten Kürzungen im Bildungsbereich, obgleich Deutschland die viertgrößte Industrienation der Welt ist und seinen Sprösslingen eins der besten Ausbildungsprogramme ermöglichen könnte. Wenn es denn gewollt wäre, ja wenn.

Aber es ist noch Zeit zur Veränderung. Mein kritisches Denken ist ausgeprägter denn je, meine Freunde mit Bedacht ausgewählt, und Normen werden von Menschen erschaffen und wieder abgeschafft. Aber nur, wenn wir unseren Mund aufmachen und nicht passiv wie begossene Pudel zuschauen, mit dem immerwährenden Spruch meines Vaters im Hinterkopf: „Wie stellst du dir denn das vor? Das ist nicht so einfach zu ändern!“ Ich habe seinen Spruch für mein Leben schon früh umgewandelt in: Es ist alles möglich, ich muss es nur wollen und viel dafür investieren.

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