ein Kommentar von Eugen Zentner
Lesedauer 3 MinutenDer Konformitätsdruck hat sich im Zuge der Corona-Krise intensiviert. Zwar war er schon vorher spürbar, doch seit März 2020 nimmt er immer absurdere Formen an. Selbst Kabarettisten müssen jedes Wort abwägen, um nicht die selbsternannten Meinungswächter zu verärgern. Wer aus deren Sicht die «Falschen» durch den Kakao zieht, wird sofort an den Pranger gestellt und mit bösartigen Etikettierungen so lange geframt, bis die Karriere endet. Wie die Mechanismen funktionieren, konnte man kürzlich unter anderem am Umgang mit Künstlern wie Lisa Fitz oder Ludger K. beobachten.
Dabei taten sie das, was ihren Beruf ausmacht. Kabarett weist in humoristisch-übertriebener Form auf gesellschaftliche Missstände hin. Es versteht sich als eine Kunstform, die gegen die Reichen und Mächtigen austeilt. Ihre Kritik kommt von unten. Humor war schon immer die stärkste Waffe der Schwachen gewesen, weshalb Kabarettisten ihnen unter die Arme greifen. Doch seit geraumer Zeit kann man beobachten, dass ihre Zunft einer leisen, aber sehr effektiven Zensur unterliegt. Über manche Themen darf nicht geredet werden, selbst im satirischen Modus. Es ist, als dringe der totalitäre Geist immer tiefer in die Köpfe der Künstler und des Publikums ein.
Als Orientierung des Sagbaren dienen die offiziellen Narrative – ob es nun um Corona, die EU, den Ukraine-Krieg oder die Parteienlandschaft geht. Wer als Kabarettist von der vorgegebenen Erzählung abweicht, muss sich in den Sendeanstalten aufwendigen Diskussionen stellen. Jeder Gag, jede Pointe wird genau überprüft. Kabarettisten müssen ihre Satire mit Fakten untermauern, wenn sie auf Sendung gehen wollen. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt, damit ja nicht etwas durchrutscht, was nicht haargenau den Tatsachen entspricht. Der kabarettistische Beitrag wird nach journalistischen, ja fast schon wissenschaftlichen Standards untersucht, was zur Folge hat, dass alle Ingredienzien verloren gehen, die ihn ausmachen: Polemik, Überhöhung, Spott.
Meinungshoheit der Woke-Bewegung
Interessant ist jedoch, wie einige Kabarettisten erzählen, dass dieses Prozedere nur dann stattfindet, wenn die Gags mit der Identitätspolitik der sogenannten Woke-Bewegung in Konflikt treten. Satirische Kritik an CSU-Chef Markus Söder geht problemlos durch, während ein Witz auf Kosten der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang endlose Fragen nach sich zieht. Gleiches gilt beim Thema Corona. Auf prominente Maßnahmen-Kritiker darf bedenkenlos eingeprügelt werden. Kommen jedoch die vielen Ungereimtheiten, Widersprüche und sinnlose Regeln der Corona-Politik zur Sprache, wird umgehend die Fakten-Lupe ausgepackt.
Die Verantwortlichen in der Redaktion befinden sich dabei in der Zwickmühle. Sie müssen so penibel vorgehen, ansonsten fällt es auf sie zurück. Sie stehen unter demselben Druck wie die Künstler. Wenn sie den Beitrag nicht dem offiziellen Narrativ gemäß untersuchen, geraten sie selber unter Beschuss und müssen sich bisweilen vor einem großen Tribunal rechtfertigen, warum sie einen „fragwürdigen“ Beitrag durchgewinkt haben.
Die Angst ist der Hauptmotor. Und in den Redaktionen ist die Angst vor den eigenen Kollegen oftmals die größte. Was gesagt werden darf und was nicht, wird nicht direkt verbalisiert, sondern man erfährt es über die Atmosphäre. Ein falsches Wort kann den Verantwortlichen viel Ärger einbringen. Wer den Rahmen des Sagbaren bestimmt, sind letztlich die Aktivisten der Woke-Bewegung, die mittlerweile in allen Schlüsselpositionen sitzen – in den Medien, in den Parteien und NGOs. Als woke bezeichnen sich Menschen, die sich selbst ein erwachtes Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit, Klimasünden und Rassismus attestieren. Meist handelt es sich um junge Leute, die eigentlich über sehr wenig Lebenserfahrung verfügen. Dennoch haben sie die Meinungshoheit. Jeder Standpunkt, der ihrer Ideologie widerspricht, wird gnadenlos als „rechts“ oder „Geschwurbel“ gebrandmarkt. Auf die Betroffenen rollt dann eine Lawine der Empörung zu, meist in den sozialen Medien, wo die selbsternannten Meinungswächter verbale Lynchjustiz üben.
Lust am Krawall
Die Zahl abschätziger Kommentare geht schnell in die Höhe. Der Shitstorm wird zum Tsunami, der jedes Argument brachial niederwalzt. Wer diese Tobsucht beobachtet, merkt augenblicklich, dass es den selbsternannten Richtern weniger um Rassismus, Gleichstellung oder Gerechtigkeit geht, sondern um die Lust am Krawall. Solche Debatten zeigen sehr deutlich, dass es bloß um Macht geht. Und die haben jene Leute. Nach dem medialen Aufschrei knicken Veranstalter, Fernsehsender und Agenturen ein und entziehen den Kabarettisten die Plattform oder schwächen deren Gags ab. Ein gutes Beispiel ist Ludger K., der einen größeren Auftrag als Moderator eines Varietés verlor, nachdem der Chefredakteur der WAZ Bochum interveniert hatte.
Wer keine Risiken eingehen will, muss sich am offiziellen Narrativ orientieren. Ein falsches Wort genügt, um sozial wie wirtschaftlich vernichtet zu werden. Es ist eine Art Zensor, den man internalisiert, bis er in Fleisch und Blut übergeht. Der autoritäre Geist gleicht der unsichtbaren Hand, die das gesellschaftliche Leben nach der woken Ideologie reguliert. Diese Wirkungsweise ist selbst bei seinen Live-Auftritten zu beobachten. Gerade in den alten Bundesländern traut sich das Publikum nicht, bei „falschen“ Gags zu lachen oder zu klatschen, weil es befürchtet, allein deswegen in die rechte Ecke geschoben zu werden. Und in der landet man heute sehr schnell, wenn man sich außerhalb des vorgegebenen Narrativs bewegt – selbst geistig. Das führt dazu, dass die Menschen sogar Angst davor haben, das Falsche zu denken. Das ist eine gefährliche Entwicklung – für die Kunst und für die gesamte Gesellschaft.