Von Sandra Bareis-Lange

Wie interessiert man die Jugend für mediale Aufklärung und Grundrechte? Mit dieser Frage beschäftigten sich kürzlich die Mitglieder der Initiative 1bis19 e.V. im Rahmen eines Zoom-Meetings.
Impulsgeber des Abends war Prof. Dr. Michael Meyen, Journalist und Kommunikationswissenschaftler am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. In seinem Buch „Der dressierte Nachwuchs“ ging er bereits den Ursachen dafür auf den Grund, warum die jungen Leute nicht mitdemonstrieren, wenn es, wie beispielweise in der Corona-Zeit, um Protest gegen Einschränkungen der Grundrechte geht. Da blieben die mittleren und älteren Jahrgänge weitgehend unter sich.
Warum ist das so? Ist der Jugend das Revoluzzer-Gen verloren gegangen?
Meyen machte deutlich, dass es „die Jugend“ pauschal nicht gibt. Das Bild ist heterogen, abhängig von den jeweiligen Lebenswelten: Stadt-Land, Ost-West, Akademiker-Nicht-Akademiker …
Geprägt ist die junge Generation allgemein jedoch in großem Maße von Social Media und Konformitätsdruck. 16- bis 18-Jährige verbringen durchschnittlich 70 Stunden pro Woche im Netz und damit auf Plattformen, bei denen es darum geht, sich zu präsentieren, gut anzukommen und Likes zu sammeln. Dort finden sich überall die gleichen Trends und Denkmuster: Klima, Transgender, Rassismus, Migration. Die Meinungsmacher im Netz wissen ganz genau, was gut und was böse ist. Wer nicht auf der richtigen Seite steht, ist automatisch auf der falschen. Positives Feedback bekommt man nur, wenn man dem Mainstream das Wort redet, ansonsten ist einem der Shitstorm sicher. Eine Welt der moralisierenden Alternativlosigkeit in Schwarz oder Weiß, ohne Platz für Grautöne. Deshalb schert kaum einer aus und es gibt wenig Widerspruch. Auch in Schule und Studium geht es oft nur um das Wiedergeben von Erlerntem. Die Bologna-Reform mit einem stark verschulten und an der jeweiligen Fachrichtung einseitig ausgerichteten Studium geht auf Kosten des universellen Wissenserwerbs der Studenten. Multiple Choice-Tests geben vermeintliche Eindeutigkeit vor, es bleibt kaum Platz für Diskussionen und Zwischenräume, so Meyen.
Es scheint, dass die Aufmerksamkeit und Energie vieler Jugendlicher und junger Erwachsener auf Themenbereiche fokussiert sind, die niemandem wehtun, der über Macht und finanzielle Ressourcen verfügt – Moralisierung als Steuerungskonzept für unmündige Bürger, die sich problemlos ins System einpassen.
Zudem gibt es in der jungen Generation oft Vorbehalte gegenüber den Älteren, meint Meyen. Grundsätzlich befinden sich die jüngeren Jahrgänge im Verhältnis zur „Boomer“-Generation stark in der Unterzahl und haben deshalb schon rein zahlenmäßig einen geringeren gesellschaftlichen Einfluss. Zudem seien aus Sicht eines Teils der Jüngeren die Älteren durch ihren übermäßigen Konsum schuld am schlechten Zustand der Welt. Die Boomer standen in harter Konkurrenz um Arbeitsplätze und mussten sich demzufolge anstrengen, um einen guten Lebensstandard zu erreichen. Die Mitglieder der jungen Generation dagegen sind wegen der aktuell herrschenden Arbeitsmarktlage mit Fachkräftemangel heiß begehrte Arbeitskräfte. Das hat Auswirkungen auf deren Arbeits- und Anspruchshaltung: Häufige Jobwechsel und ein großes Augenmerk auf die Work-Life-Balance sind die Folge. Außerdem sind viele junge Menschen Teil der Erbengeneration und es deshalb gewohnt, dass materielle Bedürfnisse leicht erfüllt und nur selten hart erarbeitet werden müssen.
Wichtig ist es also, trotz dieser unterschiedlichen Erfahrungshorizonte Verbindendes zwischen den Generationen zu suchen und miteinander in den Dialog zu kommen. Welche Anknüpfungspunkte und Austauschformate das sein können, darüber kamen die Vereinsmitglieder mit Prof. Dr. Meyen in eine interessante Diskussion.
Diskussion mit den 1bis19-Mitgliedern
Es wurde gemeinsam überlegt, wie man überhaupt interessierte Gesprächspartner finden und welche Themen man aufgreifen kann. „Man kann nur schwer jemanden aufwecken, der nur so tut, also ob er schläft“ – diesen Ausspruch zitierte Meyen auf die Frage, welche Personen man ansprechen sollte. Bezüglich der Themen ist es sinnvoll, nicht mit den „ideologischen Stützpfeilern“ zu beginnen, sondern lebensnahe und ideologieferne Themen aufzugreifen. Persönliche Kontakte in heterogenen und altersgemischten Gruppen schaffen Vertrauen und Verbindlichkeit. In einem vertrauten Umfeld findet ein offenerer Austausch statt. Dafür könnten bestehende Netzwerke gut genutzt werden.
Es kam auch die Frage auf, ob bei der Jugend überhaupt ein breites Interesse an Politik besteht. Im Vordergrund steht bei den meisten jungen Menschen sicherlich die eigene Zukunft: Abnabeln von den Eltern, eine Partnerschaft eingehen, berufliche Perspektiven entwickeln. Ein Aufbegehren gegen Strukturen, in die man sich gerade versucht einzufügen, um auf eigenen Beinen zu stehen, ist naturgemäß schwierig. Massenbewegungen gingen schon früher nicht unbedingt von der Jugend aus, meinte Meyen. Ein Hinterfragen des Systems kommt oft erst, wenn schon entsprechende Lebenserfahrungen gemacht wurden. Auch der dicht gedrängte Zeitplan sei sicherlich ein Problem, so ein Teilnehmer.
Ein anderer Besucher des Zoom-Austausches brachte zum Ausdruck, dass es auch positive Signale aus der jungen Generation gebe. Bei den U18-Jugendwahlen im Zuge der Bundestagswahl waren interessante Abstimmungsergebnisse zu beobachten. Vor allem die politischen Ränder haben dort viele Stimmen bekommen. Das zeige doch, dass die Jugend ein starkes Gerechtigkeitsempfinden habe und nicht einfach alles hinnehmen wolle.
Die Themen Krieg, Wehrpflicht und Palästina polarisieren aktuell die Gesellschaft, so der Eindruck der Teilnehmer des Meetings. Möglicherweise hat der Nachwuchs schon eigene Erfahrungen bei den Palästina-Demos gemacht, die ihm bewusst machen, wie es den Teilnehmern auf Corona-Demos oder Friedensdemos ergangen ist. Darüber könnte man gut miteinander ins Gespräch kommen, meint Meyen. Vielleicht erwacht so bei der Jugend der kritische Geist und auch das Interesse an den Grundrechten wieder mehr. Ein Thema, welches die Initiative 1bis19 e.V. im Namen trägt und das den Vereinsmitgliedern am Herzen liegt.
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Mehr von und mit Prof. Michael Meyen:
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