von Dr. Jörg Uhlig

Lesedauer 3 Minuten
© Confirmation Bias

Mit fortschreitender Erkältungssaison und nachlassender Wirkung der Impfung gegen das Sars-Cov-2 Virus häufen sich die Zahlen der sogenannten Impfdurchbrüche, inklusive (Intensiv-) Hospitalisierungen und tödlichen Verläufen. Früher hießen diese Fälle bei denen trotz Impfung die Krankheit ausbrach schnöde „Impfversager“, aber wer mag sich schon das Labels eines Versagers anheften? Bei einer derart stolzen Anzahl würde das kein Politiker oder Mediziner wagen.

Nun kommt es gerne zu Aussagen besagter Impfdurchbrecher (oder Impfdurchbrüchigen?) wie die, dass sie sehr froh seien, geimpft gewesen zu sein, weil sonst der Krankheitsverlauf bestimmt sehr viel schwerer, möglicherweise sogar tödlich verlaufen wäre.

Wie kommen die darauf?

Dies mag bei älteren und vorerkrankten Menschen noch einigermaßen plausibel klingen, doch selbst hier erleidet nur ein kleiner Prozentsatz der Covid-Erkrankten tatsächlich einen fatalen tödlichen Ausgang. Ein guter Bekannter, Mitte 80, mit künstlicher Herzklappe, also Risikopatient ersten Grades, hat in der sogenannten ersten Welle (aus heutiger Sicht ein laues Lüftchen) lediglich eine mittlere grippale Symptomatik entwickelt. Erst vor ein paar Tagen habe ich ihn lustig pfeifend und wie immer frohgemut das Laub vom Bürgersteig zusammenfegen sehen.

Besonders interessant sind solche Aussagen nach 2G-Parties oder Sportlern, wenn es sich bei den vielen Infizierten um Jugendliche und junge Menschen gehandelt hat. Deren Risiko, überhaupt einen schweren Verlauf zu erleiden, ist bekannter- und auch anerkanntermaßen denkbar minimal. Und dennoch sind diese jungen Menschen fest davon überzeugt, dass, wenn sie schon die Impfung nicht vor Infektion, dann zumindest vor dem fast sicheren Tod bewahrt hat.

Confirmation Bias

Dieses psychologische Phänomen ist nicht neu. Vor allem bei Laien an der Börse ist es häufig anzutreffen. Der psychologische Kniff, der dahintersteckt, ist der sogenannte „confirmation bias“, auf deutsch Bestätigungsfehler, anders ausgedrückt: Selbstbetrug. Man verteidigt ein Investment, das man eingegangen ist, das sich aber danach als wertlos herausstellt, vor sich selbst. Auch noch der kleinste, an den Haaren herbeigezogene Pluspunkt wird zu einem alles begründenden Hochleistungsargument aufgepumpt. Der bisher Geglaubte muss unter allen Umständen verteidigt werden. Es zu hinterfragen, ist unerwünscht!

Das getätigte Investment ist in diesem Fall die Impfung. Man ging zu einem Impfzentrum oder zum Arzt, man nahm sich Zeit, ja, man stand wohl in einer Schlange und dann kam man dran. Man krempelte den Ärmel hoch und ließ sich ein pharmakologisches Produkt injizieren, von dem man dank der Werbung durch Politiker, Virologen und diverse Medienexperten überzeugt war, dass es gegen eine Infektion mit einem möglicherweise todbringenden Virus immunisiere, man mithin damit selbst nicht mehr erkranke und das Virus auch nicht an seine siechen Großeltern weitergeben könne. Bedenken zu Nebenwirkungen und Langzeitfolgen hat man, wenn nicht zur Kenntnis genommen, so eben tapfer als Geschwurbel beiseite geglaubt. Doch die mit Abstand größte Investition war Vertrauen: Man hat in Experten und Politiker Vertrauen investiert. Die haben einem gesagt, was man tue, wäre richtig und absolut sinnvoll! Man sei damit moralisch integer! Nun, wer wäre das nicht gerne?

Doch nun infiziert man sich entgegen aller Voraussagen der Experten doch. Man entwickelt Symptome, mehr oder weniger heftig, und zwar etwa in der Stärke, die man auch ungeimpft zu gewärtigen gehabt hätte. Man gibt das Virus doch an seine – ebenfalls geimpften – Angehörigen weiter. Kurz: Das eingegangene Investment ist geplatzt.

Es wäre sonst sicher schlimmer gekommen

Grund, sich ein Fehlinvestment einzugestehen? Dass man sich aufgrund der Einflüsterung durch Funk und Fernsehen etwas ziemlich Wertloses hat andrehen lassen? Nein! Denn wie ein unerfahrener Börsenspekulant, der an seinen gecrashten Aktien festhält („…war doch total seriöse Firma! Die kommen schon wieder! Man muss nur lange genug warten!“) wird einfach der offensichtliche Flopp werthaltig umgedeutet. Der Kränkung des Ichs, möglicherweise einen Fehler begangen zu haben, setzt man sich lieber nicht aus. Die Psyche macht es möglich. Und unsere Experten, die einen an die Nadel gebracht haben, liefern dazu gleich die unwiderlegbare Interpretation, “…es wäre sonst sicher viel schlimmer gekommen!“ Dankbar und gutgläubig wird dies aufgesogen, der natürliche Impuls des Schönredens mit der scheinbaren Kraft des Faktischen zementiert. Prognose und Deutung aus ein und derselben Hand, – wie praktisch!

Nun sollte man meinen, dass zumindest die Geimpften, die unerwünschte Nebenwirkungen am eigenen Leib erfuhren, ihren Entschluss kritisch hinterfragten, doch das Gegenteil ist der Fall: denn diese Personen hatten mit ihrer vertrauenden Entscheidung nicht nur Zeit und Unannehmlichkeiten investiert, nein mehr, ihr Wohlbefinden, ihre Gesundheit. Damit war das Investment unendlich viel größer, und damit wuchs notwendiger Weise die Neigung, dieses Investment sich umso schöner zu reden. Alle Anzeichen, dass man möglicherweise auf das falsche Pferd gesetzt habe, werden innerlich brüsk zurückgewiesen. Oder um es mit den Worten Eugen Roths zu formulieren,

Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet, bemerkte, dass ihm das missriet. Jedoch da er es selbst gebraten, tut er, als wär es ihm geraten, und, sich nicht selbst zu strafen Lügen, isst er’s mit herzlichem Vergnügen.

Sie halten diese Beobachtung für konstruiert? Nun, – dann stellen Sie sich zum Beispiel die Frage: Würden Sie Ihren langjährigen Ehepartner, Ihre langjährige Ehepartnerin mit dem heutigen Wissen noch mal heiraten? Sehen Sie.

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