Antworten auf das Abgeordneten-Anschreiben zum „Demokratiefördergesetz“ und „Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus“
Folge 2
Lesedauer 7 MinutenFreiheit der RedeAm 5. März dieses Jahres veröffentlichte die 1bis19-Redaktion einen Musterbrief zum Thema „Demokratiefördergesetz“ und „Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus“, der als Vorlage für Anschreiben an die Abgeordneten der jeweiligen Wahlkreise genutzt werden kann. Er war zuvor schon an die Mitglieder von 1bis19 versandt worden mit Hinweisen darauf, wo die entsprechenden Wahlkreise und Mailadressen der Abgeordneten abrufbar sind. Im Folgenden dokumentieren wir einige Antwortschreiben der angeschriebenen Abgeordneten in anonymisierter Form.
Der Text des Anschreibens, auf das sich die Antworten beziehen, findet sich noch einmal ganz unten.
MdB (CDU / CSU) – Antwortschreiben 1:
Sehr geehrter…………………,
Vielen Dank für Ihre Nachricht.
noch einmal: Herzlichen Dank für Ihre Mail zum Demokratiefördergesetz!
Wie schon gemailt: Da ich erst vor wenigen Wochen nachgerückt bin und erst das Büro aufbauen musste und bislang auch noch ohne Mitarbeiter auskommen muss, hat die Beantwortung leider etwas länger gedauert. Ich bitte dies zu entschuldigen.
Es sind herausfordernde Zeiten für unsere Demokratie. Mit großer Sorge beobachten wir eine zunehmende Spaltung und Polarisierung unserer Gesellschaft. Vergangene und aktuelle Krisen haben einen Nährboden für die Feinde unserer Verfassung geschaffen. Die Auswirkungen sind zunehmend spürbar.
Zur Begegnung dieser Herausforderungen plant die Ampel mit dem sogenannten Demokratiefördergesetz erstmalig einen gesetzlichen Auftrag des Bundes zur finanziellen
Förderung unserer Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu schaffen. Bereits am 14. Dezember 2022 hat die Bundesregierung dazu den Entwurf für das sogenannte Demokratiefördergesetz im Bundeskabinett beschlossen. Nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag am 17. März 2023 folgte auf Antrag unserer Fraktion eine öffentliche Anhörung am 27.März 2023. Danach wurde es lange still um das Vorhaben. Die von der Ampel geplante Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause scheiterte am teilweisen Widerstand in der eigenen Koalition.
Ende des letzten Jahres haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Demokratiefördergesetz in der öffentlichen Debatte wieder auf die Tagesordnung gehoben. Sie fordern aufgrund der zunehmenden Gefahr eines sich ausbreitenden Antisemitismus in unserem Land eine schnelle Verabschiedung des Gesetzentwurfs.
Bisher ist uns nicht bekannt, ob die Ampel auf die in der öffentlichen Anhörung geäußerte Kritik der Sachverständigen eingeht und weitere Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf vornimmt. Wann und ob es zu einer zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs kommt, kann ich derzeit nicht abschätzen. Innerhalb der Ampelkoalition blockiert die FDP weiterhin das Gesetzesvorhaben.
Aufgrund der aktuellen Ereignisse und der zunehmenden Relevanz möchten wir Ihnen dennoch schon vorab die Argumente darlegen, warum wir das Demokratiefördergesetz ablehnen:
Keine Demokratieförderung ohne Demokratieklausel
Erfolgreiche Demokratieförderung kann nur funktionieren, wenn von vornherein klar sichergestellt wird, dass mit den Fördergeldern keine Institutionen oder Personen finanziert werden, die die Grundwerte unserer Gesellschaft nicht akzeptieren oder gar zerstören wollen.
Derzeit erleben wir, wie beispielsweise über das Bundesprogramm „Demokratie leben!” Vereine und Organisationen finanziell unterstützt werden, die aufgrund ihrer Nähe zum radikalen Islam vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Gleiches gilt für Organisationen mit linksextremistischen Tendenzen. Vorfälle dieser Art schwächen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Demokratie und stärken die Extremisten.
Denn nicht alle Feinde des Rechtsextremismus sind automatisch Freunde unserer Demokratie. Deshalb ist für uns die Einbindung einer Demokratieklausel in die Fördervoraussetzungen künftiger Gesetze und Bundesprogramme zur Demokratieförderung essenziell. Förderempfänger müssen wieder dazu verpflichtet werden, ein Bekenntnis zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung abzulegen und dafür Sorge zu tragen, dass auch die als Partner ausgewählten Organisationen und Personen sich zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Ob der aktuellen Ereignisse in Israel, der stark ansteigenden Zahl antisemitischer Vorfälle, aber insbesondere auch des muslimischen Antisemitismus, der auf unseren Straßen offen gezeigt wird, halten wir es für dringend geboten, von allen Fördermittelempfängern zusätzlich ein schriftliches Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und zur Ablehnung von Antisemitismus gemäß der vom Deutschen Bundestag
beschlossenen erweiterten Antisemitismusdefinition zu verlangen und bei Verstößen Fördermittel zurückzufordern.
Die Ampel schließt die Aufnahme einer entsprechenden Klausel bisher aus. Frau Paus und Frau Faeser werben öffentlich plakativ dafür, mit dem Demokratiefördergesetz den Kampf gegen den Antisemitismus in Deutschland zu unterstützen. Sie verweigern sich aber gleichzeitig der Aufnahme einer Demokratieklausel, die verhindert, dass mit dem Gesetz eine neue Möglichkeit geschaffen wird, die Verbreitung von antisemitischem Gedankengut über Umwege durch staatliche Mittel zu fördern.
Unklare Gesetzgebungskompetenz des Bundes
Im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurden von den Sachverständigen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vorgebracht, die wir teilen. Es ist bisher unklar, ob das Gesetz überhaupt auf eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gestützt werden kann. In der Gesetzesbegründung ist von einer Gesetzgebungskompetenz „Natur der Sache” die Rede. Argumentiert wird dies vor allem mit der überregionalen Bedeutung des Schutzes unserer demokratischen Verfassung. Aus unserer Sicht ist die Kompetenz des Bundes nicht klar ersichtlich.
Auch die Notwendigkeit einer neuen Regelung zur Schaffung eines gesetzlichen Auftrages des Bundes zur finanziellen Förderung dieses Bereiches ist für uns nicht gegeben. Wir haben bereits ein etabliertes und breit aufgestelltes Fördersystem für unsere politische und demokratische Bildungsarbeit, das sich auf die Strukturen der Länder und des Bundes stützt.
Neben der Bundeszentrale für politische Bildung und den politischen Stiftungen haben auch die einzelnen Ressorts des Bundes bereits die Möglichkeit, eigene Mittel für Programme zur Demokratieförderung bereitzustellen und nehmen diese Aufgabe auch erfolgreich wahr.
Fehlende Sicherstellung von Transparenz und Meinungsvielfalt
Eine erfolgreiche Demokratieförderung setzt voraus, dass sie vollkommen transparent erfolgt und die pluralistische Vielfalt der Meinungen unserer Gesellschaft abbildet und sichert. Dies ist im aktuellen Gesetzentwurf nicht klar geregelt. Die Förderrichtlinien sollen durch die zuständige Behörde bestimmt werden. Eine zusätzliche parlamentarische Kontrolle ist nicht vorgesehen.
Im Ergebnis ist zu befürchten, dass die Förderzusagen stark von der jeweiligen politischen Agenda abhängen und für die Bürgerinnen und Bürger völlig intransparent sind. In der öffentlichen Anhörung am 27. März 2023 haben die Experten ein erhebliches Ungleichgewicht in der bestehenden Förderlandschaft zur Demokratieförderung bestätigt und von Ablehnungen vieler Projektträger berichtet, die sich im Bereich der Islamismusprävention engagieren.
Demzufolge gibt es keine transparente Regelung und Kommunikation darüber, welche Projektträger eine Finanzierung erhalten und welche nicht. Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass die Förderung von Projekten abhängig von Ideologien oder der Nähe zu den Positionen der jeweiligen Bundesregierung ist. Demokratie bedeutet auch, den Raum für eine angemessene Streitkultur zuzulassen und unterschiedliche Meinungen auszuhalten. Aus unserer Sicht muss deshalb in den Fördervoraussetzungen eines solchen Gesetzes klar geregelt werden, dass eine ausgewogene Teilhabe unterschiedlicher weltanschaulicher Prägungen sichergestellt wird. Dies wird auch aufgrund des Neutralitätsgebotes des Staates im Bereich der finanziellen Förderung der politischen Stiftungen durch den Bund klar geregelt.
Eine wehrhafte Demokratie braucht eine starke Zivilgesellschaft
Eine funktionierende und wehrhafte Demokratie lebt von einer starken Zivilgesellschaft und ihrem Engagement für eben diese. Das Demokratiefördergesetz soll den Bund dazu befähigen, dieses zivilgesellschaftliche Engagement mit finanziellen Mitteln weiter zu stärken. Dabei werden aber die bereits bestehenden Strukturen des bürgerschaftlichen Engagements und der politischen Bildung völlig außer Acht gelassen.
Das Demokratiefördergesetz schafft viel mehr die Voraussetzungen dafür, dass bisherige Projekte durch die Zusicherung einer langfristigen Förderung schleichend institutionalisiert werden. Dadurch etablieren sich neue parallele Strukturen zur Förderung unserer Demokratie, die mit unserem bisherigen System in Konkurrenz stehen und dies in ein Ungleichgewicht bringen.
Die Auswirkungen sehen wir an den derzeitigen Kürzungsvorhaben der Ampel im Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Im Kinder- und Jugendplan, bei den Wohlfahrtsverbänden, den Jugendfreizeiten, den Frühen Hilfen, den Freiwilligendiensten und der Bundeszentrale für politische Bildung werden finanzielle Mittel in erheblichem Umfang gestrichen – also genau bei den bestehenden Strukturen und Programmen, die sich derzeit aktiv vor Ort für unsere Demokratie, politische Bildung und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen!
Parallel werden für öffentlichkeitswirksame Prestigeprojekte mit deutlich geringerer Reichweite und Wirkkraft unter dem Deckmantel der Demokratieförderung weitere rund 200 Millionen Euro ausgegeben.
Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion braucht es für eine effektive Demokratieförderung keine weiteren Strukturen, sondern eine Stärkung des bereits bestehenden Systems.
Mit freundlichem Gruß ……………………………
Appendix:
Der Text des Musteranschreibens lautete im Übrigen wie folgt:
Sehr geehrter Herr/Frau [Name des Bundestagsabgeordneten],
ich wende mich an Sie, um meine Besorgnis über die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Gesetzgebung zum Ausdruck zu bringen.
Am 13. Februar 2024 stellte die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus vor. Darin setzt sie sich unter anderem für ein „Demokratiefördergesetz“ ein, das die finanzielle Förderung von politisch erwünschten Weltanschauungen verstetigen und echten Pluralismus verhindern würde, und strebt eine weitere Novellierung des Nachrichtendienstrechts an, insbesondere mit dem Ziel, Eingriffsschwellen für den administrativen Verfassungsschutz zu senken und richterliche Kontrollen unter dem Vorwand der „Entbürokratisierung“ abzubauen.
Die Äußerungen der Innenministerin und des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz auf derselben Pressekonferenz lassen klar erkennen, dass es nicht nur um die Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität geht, sondern auch darum, bestimmte Anschauungen und Einstellungen zu unterdrücken, die von der aktuellen Bundesregierung missbilligt oder abgelehnt werden.
Besonders besorgniserregend ist die geplante Umsetzung des Digital Services Act der EU durch das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), welches Plattformbetreibern die Möglichkeit geben würde, mittels automatischer Inhaltserkennungstechnologien als „kritisch“ oder „nachteilig“ eingestufte Äußerungen zu löschen. Nutzer würden dann eher schweigen, als das Risiko einzugehen, als mögliche Störer oder Gefährder der „öffentlichen Debatte“ oder der „öffentlichen Sicherheit“ eingestuft zu werden.
Insgesamt könnte dies zu einer allgemeinen Atmosphäre der Angst und Unsicherheit führen, welche die für eine Demokratie unerlässliche freie Debatte im Wettbewerb der Meinungen einschränken würde.
Des Weiteren befürchte ich, dass im Rahmen der genannten Pläne kommunale Behörden dazu instrumentalisiert werden könnten, Bürger durch gewerbe-, gaststätten- oder ordnungsrechtliche Maßnahmen zu beeinträchtigen. Durch Einflussnahme auf Kreditinstitute könnten sogar Bankverbindungen und der Zugriff auf Konten beschränkt werden.
Wie das Bundesverfassungsgericht betont hat, ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ein unverzichtbares Element einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, da es den ständigen geistigen Austausch und den Wettstreit der Ideen ermöglicht:
„Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt.“
BVerfGE 7, 198 [208] vom 15-Jan-1958 (Lüth)
Eine Grenze für Meinungsäußerungen regelt das allgemeine Strafrecht, das insbesondere Beleidigungen und Volksverhetzung verbietet. Unterhalb der Strafbarkeitsgrenze geäußerte Meinungen genießen Grundrechtsschutz. Auch staats- und regierungskritische oder von der Politik unerwünschte Meinungen sind vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt. Es ist grundrechtswidrig, unter Berufung auf einen unbestimmten Begriff wie „Staatswohlgefährdung“ missliebige Meinungen untersagen zu wollen.
Sie als Teil der Gesetzgebung sind deshalb aufgefordert, schwerwiegende Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit abzuwenden.
Ich bitte Sie daher dringend, das „Demokratiefördergesetz“ zu verhindern und Übergriffe der Nachrichtendienste auf möglicherweise unbequeme, aber unbescholtene Bürger abzuwehren.
Zudem bin ich als Teil Ihrer Wählerschaft an Ihrer Einstellung zu diesem Thema interessiert und bitte um eine Antwort, die Ihre Haltung zu diesem grundlegenden Thema verdeutlicht.
Mit freundlichen Grüßen,
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