Darf es noch eine Scheibe mehr sein?“

Vom schrittweisen Filetieren der Gesellschaft

ein Gastkommentar von Jörg Uhlig

Lesedauer 5 Minuten

1bis19 - „Darf es noch eine Scheibe mehr sein?“
Darf es noch eine Scheibe mehr sein?

Wenn man sich vergegenwärtigt, welche Meldungen die vergangenen Jahre uns in die Wohnzimmer geflimmert sind, waren es im Wesentlichen erfundene Angst- und Panikmeldungen, oder es ging um Moral und Haltung sowie moralische Abgrenzung.

Es wäre sicherlich falsch zu behaupten, dass wir vor Corona in einer homogenen Meinungsgesellschaft gelebt hätten. Fans von Borussia Dortmund hatten vermutlich schon immer Probleme mit dem FC Bayern München. Nur – selbst wenn den Bayern auf dem Platz mal (ausnahmsweise) die Lederhosen ausgezogen wurden, hatte dies keinerlei Einfluss auf das Alltagsleben. Dies ist mit den heutigen gesellschaftszersetzenden Themen grundlegend anders!

Unterschiedliche politische Meinungen innerhalb der Gesellschaft sind nicht nur auszuhalten, sondern für eine funktionierende Demokratie geradezu lebensnotwendig! Es obliegt der Verfassung und den dort legitimierten Organen wie der Regierung und dem Parlament, dieses notwendige Spannungsverhältnis des politischen Diskurses in zivilisierte und konstruktive Bahnen zu lenken.

I want you to panic

Man könnte nun darüber kopfschüttelnd lachen, wenn diese größtenteils erfundenen Narrative, die uns die Medien täglich ins Hirn nageln, keine weitreichenden Folgen für uns hätten außer einem leichten Gruseleffekt. Dies war und ist leider nicht der Fall. Wohlgemerkt, die schädlichen Auswirkungen kamen und kommen nie von den vorgeblichen Gruselgeschichten, sondern immer nur durch die von der Obrigkeit ergriffenen Maßnahmen, die uns, die Schwachen, Unvollkommenen und auch oft mangels Erkenntnis und Erleuchtung Unverständigen, angeblich vor der Gefahr schützen sollen.

Allen diesen Narrativen und Märchenerzählungen sind mehrere Analogien gemeinsam.

  1. Unliebsame Fakten werden ignoriert und lächerlich gemacht, als „unwissenschaftlich“ diffamiert (und damit „die Wissenschaft“ zum Mainstream-Dogma pervertiert),
  2. die verkündeten Fakten entbehren bei näherer Sicht jeglicher Evidenz.
  3. Kritikern werden von höchster politischer Ebene als „Klima-“, „Wissenschafts-“ oder „Coronaleugner“, Verschwörungstheoretiker und Schwurbler mit politisch extremen, moralisch verwerflichen Überzeugungen diffamiert und unter fadenscheinigen Argumente verfolgt. Kritische Beamte werden versetzt, ein Präsident einer Krankenkasse nach Veröffentlichung unliebsamer Daten innerhalb weniger Tage entlassen.
  4. Diese Vorgehensweise spaltet die Gesellschaft bis hinab in die Familie, der innerste Zusammenhalt der Gesellschaft wird geschwächt.
  5. Die staatlich und medial propagierten Narrative erfüllen ihr zersetzendes Werk erstmals global.
  6. Im Gegensatz zu tradierten Märchen gibt es am Ende keine „Moral von der G’schicht“. Die vorgegebene Moral steht hier am Anfang der Märchen, und erweist sich am Ende als deren Gegenteil.

Grün-Deutsche Endzeitangst

Thema „Rechtsradikalismus“ so sagt unsere Bundesinnenministerin in der Regelmäßigkeit einer gesprungenen Schallplatte, von dort ginge die größte Gefahr für unsere Demokratie aus. Wodurch genau, bleibt sie leider die Auskunft schuldig. Gibt es Massenaufläufe von „Glatzen“ in Springerstiefeln, die die Innenstädte verwüsten, für die Abschaffung der Demokratie eintreten und Ordnungskräfte angreifen würden?

Thema Gefahr durch Atomkraft: Meines Wissens ist seit Errichtung der ersten AKWs auf deutschem Boden noch kein Bundesbürger durch den Betrieb eines deutschen Kernkraftwerks geschädigt worden. Dennoch wird seit den 1970er und 1980er Jahren speziell seit ihrer Gründung durch die Partei der Grünen verbreitet, welche ungeheuerlichen Gefahren von ihnen und den Hinterlassenschaften ausgingen. Ein Narrativ, der sich in die gesamte Bevölkerung eingepflanzt wurde, aber nie mit Fakten untermauert werden konnte. Katastrophen, die sich tatsächlich ereigneten, wie in Tschernobyl oder in Fukushima, hätten bei uns schon aus sicherheitstechnischen und geographischen Gründen nie auftreten können. Stattdessen bringen wir uns mit deren endgültiger Abschaltung Ende des Jahres um die einzige CO2-neutrale und gleichzeitig grundlastfähige Energiequelle.

Die Endzeitangst vor einem durch die Klimakatastrophe hervorgebrachten glühenden Erdball geht weit in die 90er des vergangenen Jahrhunderts zurück. Den speziellen Kick hat sie erhalten durch „I want you to panic!“-Greta, die 2018 mit den „Fridays for Future“-Bewegung mit maximaler Medienmacht eine hysterisierte Jugendbewegung begründete. Auf komplexe Fragen zur Entstehung und Entwicklung des Klimas werden auf Grundlage dünner Daten einfache Antworten gegeben. Dies dient dann als Rechtfertigung, die Pfeiler unserer Wirtschaft, unserer Energiesicherheit und damit unseres Wohlstandes zu schleifen.

Noch nicht so lange her und doch schon durch den vielfältigen neuen Wahnsinn seitdem fast wieder in Vergessenheit geraten ist die lebhafte Diskussion über Sinn und Unsinn der Feinstaub- und Stickoxidmessung an Verkehrsknotenpunkten in den Städten. Wer thematisiert noch die forsch prognostizierten, jährlich über hunderttausend Tote, die angeblich durch die Emissionen der Autos in Deutschland sterben würden? Interessant an diesem Katastrophenszenario war die Angst, an schlechter Luft zu versterben. Das Ersticken ist eine der Urängste des Menschen, deswegen eignet sie sich hervorragend, das kognitive Denken auszuschalten und evolutiv ältere Gehirnregionen zu aktivieren.

Diffuse und vorgetäuschte Bedrohungen

So ist auch die Corona-Panik ein zielgenauer Frontalangriff auf die Amygdala, das emotionale Zentrum unseres Gehirns. Hochprofessionell inszeniert wird den Menschen ein qualvoller Erstickungstod prophezeit, sollten sie es wagen sich den teils widersinnigen, freiheitseinschränkenden und gesundheitsschädlichen Anweisungen der Obrigkeit zu widersetzen. Dass sich keine der Horrorprognosen je bestätigt hat, es niemals zu einer systemischen Überlastung des Gesundheitswesens kam (trotz gleichzeitigem Verlust einiger tausend Pflegekräfte) und es bis heute keine validen nationalen Daten zu irgendeiner der getroffenen Maßnahmen gibt wie kürzlich von Lauterbach zugegeben spielt medial nicht wirklich irgend eine Rolle. Im Gegenteil, auch heute noch wird jede seriöse und aussagekräftige Datenerhebung verhindert.

Man darf gespannt sein, inwieweit die jüngst angeblich aufgetretenen Affenpocken von Obrigkeit und Medien ausgerollt werden. Trotz praktisch nicht existenter Fallzahlen bestimmen sie bereits jetzt die Schlagzeilen, und zwar weltweit.

Bis hierher handelt es sich um eher diffuse und vorgetäuschte Bedrohungen, allerdings mit konkreten und schädlichen Folgen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines fatalen Ereignisses aufgrund der angeblichen Bedrohungen ist sowohl sehr unwahrscheinlich und/oder liegt noch weit in der Zukunft.

Die tatsächlichen Fehlentwicklungen und die daraus folgenden Ängste der Bevölkerung spielen im medialen Fokus hingegen eine eher untergeordnete Rolle. Ja, sie werden bisweilen pflichtschuldig aufgegriffen: jedoch ohne konfliktbereite Analyse, ohne investigative Recherche, die Inkompetenz, Machtmissbrauch oder politische Fehlentscheidungen so nicht entlarven so doch hinterfragen könnten.

Journalismus als Handlanger

Ein Beispiel wären die – gerade in Deutschland – stark steigenden und Verbraucher und Industrie belastenden Energiekosten. Wir waren auch vor dem Ukrainekrieg bereits das Land mit den höchsten Stromkosten. EEG-Umlage, Abschaltung der Kernkraftwerke und steigende steuerliche Abgaben auf Energieerzeugung und Kraftstoff? Politischer und medialer Schwamm drüber.

Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage ist die ebenfalls stark steigende Inflation die größte Sorge unter den Deutschen. Nicht zu unrecht. Denn diese Entwicklung verschärft, betrachtet man die wachsenden Schlangen vor den Tafeln, die vorprogrammierte Altersarmut. Dass dies u.a. auch mit der Politik der EZB zusammenhängt, darüber schweigen die Kommentatoren von ARD oder ZDF.

Die aktuellen globalen Logistikschwierigkeiten führen dann zum perfekten Sturm: Hohe Energiekosten, steigende Inflation, Rohstoff- und Bauteilmangel. Keine der komplexen, auf Arbeitsteilung ausgerichteten Volkswirtschaften wie die der westlichen Industrieländer wird dies auf Dauer durchhalten können. Ein wirtschaftlicher Kollaps wie es ihn seit dem zweiten Weltkrieg nicht gegeben hat, erscheint immer möglicher.

Doch statt die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nüchtern zu korrigieren, dominieren moralisierende Haltungserzählungen:

Wenn der Bürger nicht mit Frontmeldungen über den Angriff Russlands auf die Ukraine befasst ist, so präsentieren ihm die Mainstream-Medien zum Beispiel das Gendern als wichtigste Debatte. Hierbei geht es nicht etwa lediglich nur um ein letztlich sinnloses Verhunzen von Sprache, sondern es geht um Herrschaft über Sprache mit dem Ziel gesellschaftlicher Sprachlosigkeit. Sprachlos weil es im Kern darum geht, WIE wir etwas sagen dürfen, und wie das WAS gesagt wird, durch das WIE es gesagt wurde, entwertet werden kann. Viele werden verstummen. Und nur ein stummer Bürger ist für die Obrigkeit ein guter Bürger.

Zerspringende Illusionen

Wer es jedoch wagt, sich der erwünschten Diktion zu widersetzen und Kritik übt, wird vom Verfassungsschutz überwacht. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz beschreibt diese Entwicklung trefflich: „Während die Lautsprecher der Politischen Korrektheit von Buntheit, Diversität und Multikulturalität tönen, leben wir längst in einem radikal illiberalen Zeitalter, das keine Diskussionen mehr kennt. Dass Deutschland debattenunfähig geworden ist, ist das Resultat einer fanatischen Moralisierung aller Lebensfragen. Gefühle und Gesinnungen ersetzen Argumente.“

All diese Erosion des politischen Diskurses, unseres Geldsystems, unserer Wirtschaft und unserer mentalen Gesundheit wird bisher kaschiert durch unseren – nach wie vor und trotz aller Angriffe mit dem moralischen und politischen Presslufthammer – erstaunlich robusten Wohlstand. Noch wird er aufrechterhalten mit Billionen gedruckten EZB-Geldes. In dem Augenblick jedoch, wenn dieses Konstrukt kollabiert, wird es unserer Gesellschaft ergehen wie einer in flüssigem Stickstoff gefrorenen Rose, die man gegen die Tischplatte schlägt: Im einen Augenblick noch wunderschön anzusehen, im nächsten Augenblick in tausend Stücke zersplittert.

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