Der Kölner Integrationsrat und die 2G-Ausgrenzung

eine Rede von Alparslan Babaoglu

Lesedauer 3 Minuten
Der Kölner Integrationsrat und die 2G-Ausgrenzung
lizenzfrei – Bildautor unbekannt – arastiralim.net

Am 16.11.2021 brachte der Kölner Bürger Alparslan Babaoglu auf einer Versammlung des Integrationsrats der Stadt den Antrag ein, der Rat möge an den 1.FC Köln mit dem Appell herantreten, die 2G-Regel im Stadion wieder auszusetzen. Der Integrationsrat ist ein Ausschuss des Kölner Stadtrats, der selbst 11 Mitglieder stellt; 22 Mitglieder werden direkt gewählt. Der Ausschuss tagt einmal im Monat und berät den Stadtrat bei Fragen der gleichberechtigten Teilhabe, besonders der Chancengleichheit von Kindern und jungen Erwachsenen. Alparslan Babaoglu wurde 2020 als eines von 33 Mitgliedern in den Kölner Integrationsrat gewählt, nachdem er sich zuvor jahrelang mit vielen Projekten aktiv für das kulturelle und soziale Zusammenleben von Kölner Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund eingesetzt hatte.

Alparslan Babaoglu wartet gegenwärtig auf eine Reaktion auf seine Anfrage an den Stadtrat darüber, welche medizinischen Erkenntnisse der 2G-Ausgrenzung zugrunde liegen und sie rechtfertigen, sowie darüber, was in Zeiten von 2G für die gleichberechtigte Teilhabe von Ungeimpften getan werden kann, damit sie aus dem Sozialleben nicht ausgeschlossen werden. Das Magazin von 1bis19 veröffentlicht die Rede, der eine Gegenrede mit dem Antrag auf Ablehnung folgte, die unter anderem argumentierte, dass zu befürchten sei, dass Menschen mit Migrationshintergrund anderenfalls ein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit abgäben.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe einen vermeintlich sonderbaren Antrag. Aber sie werden sehen, dass er gar nicht so sonderbar ist: Der 1.FC Köln hat die sogenannte 2GRegel eingeführt und untersagt damit den Ungeimpften den Zutritt ins Stadion. Ich beantrage deshalb, den Verein aufzufordern, diese gesellschaftsspaltende Regelung zurückzunehmen.

Einige Menschen aus meinem Umfeld haben mich davor gewarnt, dieses heikle Thema anzusprechen. Ich denke aber, wenn ein Thema in einer demokratischen Gesellschaft heikel geworden ist, muss man es erst recht anpacken. Es wäre mir auch lieber gewesen, einen Antrag zu bringen, wo mir der Applaus sicher ist. Aber ich fühle mich verpflichtet, in der, aus meiner Sicht sehr gefährlichen Entwicklung etwas zu unternehmen.Die Polarisierung ist in der CoronaKrise so weit fortgeschritten, dass wahrscheinlich viele von Ihnen bereits die Entscheidung gefällt haben, wie sie gleich abstimmen werden. Dennoch hoffe ich, dass Sie meinen Argumenten eine faire Chance geben.

Machen wir uns nichts vor: 2G ist die legal gewordene Diskriminierung und Ausgrenzung, die zwangsläufig zur Apartheid führt. Für mich kann es in einer Demokratie keinen Grund geben, der Ausgrenzung und Apartheid rechtfertigen könnte. 

Aus meiner Sicht ist die Einführung der 2G-Regelung medizinisch unbegründet. Denn wie inzwischen jeder weiß, kann ein Geimpfter genauso ansteckend sein wie ein Ungeimpfter. Deshalb wäre z.B. eher eine allgemeine Testpflicht für alle sinnvoll. Damit müsste man auch niemanden ausschließen. Auch wenn eine medizinische Begründung vorliegen würde, wäre es trotzdem für mich nicht vertretbar, die Menschen sofort auszugrenzen, anstatt zusammen nach alternativen Lösungen zu suchen.

Wie ich befürchtet hatte, fühlen sich viele Veranstalter und Gastronomen durch den 1.FC Köln ermutigt, auch diese widersinnige 2GRegelung einzuführen und unsere Bürger immer mehr aus dem sozialen Leben auszugrenzen. Einige Politiker fordern, den Ungeimpften das Leben schwer zu machen. Die Ungeimpften sollen die Tests selber zahlen, keine Lohnfortzahlung bei Quarantäne bekommen.In Hessen dürfen die Supermärkte ihnen den Zutritt verwehren. Es wird gefordert, dass sie in den Krankenhäusern nicht behandelt werden. 

Wenn man bedenkt, dass sogar ein mehrfacher Mörder nach einem Attentat alle notwendigen medizinischen Behandlungen erhält, kann man nur erahnen, wie sehr man die Ungeimpften hassen muss, da man ihnen dieses Recht nicht zugesteht. Wie weit würde man noch gehen, um die Menschen zum Impfen zu bewegen? Wie viele der Grundwerte sind wir bereit aufzugeben? Wieviel Hass lassen wir noch zu?

Dieser Entwicklung können wir nicht tatenlos zusehen, finde ich.

Der Integrationsrat ist genau die richtige Instanz dieses Thema zu behandeln, weil wir über viele schmerzvolle Diskriminierungserfahrungen verfügen und deshalb eine besondere Verantwortung bei solchen Ereignissen haben.Unsere gesamten Bemühungen für die gleichberechtigte Teilhabe basieren auf den Grundwerten Gleichbehandlung, Toleranz, Respekt, Mitgefühl und Rücksicht füreinander. Wenn diese Werte aufgeweicht werden, verlieren wir auch unsere Argumentationsgrundlage. Wenn grenzenlose Feindseligkeit und Ausgrenzung erst einmal salonfähig sind, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann dieses auch einen von uns trifft.

Zum Schluss möchte ich noch bemerken:Den Migranten wird gerne unterstellt, dass sie sich NICHT zu den westlichen Werten bzw. zur Rechtsstaatlichkeit bekennen. Jetzt haben wir DIE Chance zu zeigen, dass wir uns nicht nur zu den Werten bekennen, sondern sie bei Bedarf sogar verteidigen und dass wir sogar unsere vermeintlichen Lehrer und Lehrerinnen auffordern, sich daran zu halten. Auch in einer Krise dürfen wir unsere Werte nicht aus den Augen verlieren.

Gleich dürfen Sie eine historische Entscheidung treffen, und es wird hier festgehalten: Lassen wir die härteste Ausgrenzung und Diskriminierung seit Gründung der Bundesrepublik zu oder bekämpfen wir diesen gefährlichen Weg? Wehret den Anfängen, denn es ist sehr schnell zu spät.Ich hoffe, dass sie eine Entscheidung treffen, die sie auch in der Zukunft rückblickend vertreten können. Danke schön vorab für die Unterstützung.“

Alparslan Babaoglus Antrag wurde bei 6 Enthaltungen und 1 Zustimmung abgelehnt.

Teilen